74 Bäuerinnen schnupperten Politikluft
Die Teilnehmerinnen aus Ober- und Niederösterreich, der Steiermark, Kärnten, Salzburg, Tirol und Vorarlberg haben dabei die Strukturen und aktuellen Themenschwerpunkte der EU-Institutionen und agrarischen Vertretungen kennengelernt – für sie war es ein wertvoller Einblick ins Geschehen und die Abläufe auf der großen europäischen Politikbühne. Sie selbst haben sich dazu entschlossen, auf kommunaler/regionaler Ebene oder in Interessenvertretungen politisch aktiv zu werden und ihre Ideen zu vertreten, dafür haben sie sich mit dem Zertifikatslehrgang „ZAMm unterwegs – Professionelle Vertretungsarbeit im ländlichen Raum“ über viele Monate das notwendige Rüstzeug angeeignet.
Rolle der Frau nicht unterschätzen
„Österreich ist dank Erfolgsgeschichten wie jener der Arge Bäuerinnen ein EU-weites Vorbild beim Engagement von Frauen in der Land- und Forstwirtschaft. In Österreich werden bereits rund 35 % der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe von Frauen geführt. Dennoch gibt es in verschiedenen Bereichen noch Luft nach oben. Eine moderne Land- und Forstwirtschaft braucht mehr Frauen, denn sie gehen anders an Herausforderungen heran, scheuen es nicht, festgefahrene Vorgehensweisen zu hinterfragen und unterstützen einander gegenseitig. In vielen Bereichen sind neue, frische und vielleicht unkonventionelle Ideen unbedingt notwendig, wenn wir eine moderne und nachhaltige Land- und Forstwirtschaft und lebendige, zukunftsfitte ländliche Regionen auf Dauer erhalten wollen“, begrüßen die beiden österreichischen EU-Abgeordneten Simone Schmiedtbauer und Alexander Bernhuber das Engagement von Frauen in der heimischen Landwirtschaft und plädieren dafür, mehr Frauen den Weg dafür zu ebnen.
Andreas Thurner von der Landwirtschaftskammer Österreich stellte den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) vor und informierte über dessen Rolle in der Politikgestaltung. Der EWSA ist mit seinen 329 Mitgliedern das Sprachrohr der organisierten Zivilgesellschaft in Europa – darunter versteht man Gruppen und Organisationen, in denen Menschen gemeinschaftlich zusammenwirken, wie z. B.: Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände, Landwirtschaftsorganisationen, NGOs, Behinderten- und Jugendorganisationen etc. Der Ausschuss hat beratende Funktion, bezieht aber zu Gesetzesinitiativen der Europäischen Kommission Stellung und formuliert Schlussfolgerungen und Empfehlungen an die Entscheidungsträger.
Frauen punkten mit kreativen Ansätzen
Im Anschluss erhielten die Teilnehmerinnen der Brüssel-Reise Einblick in die Arbeit der Copa-Cogeca, der Bauernverbände und Genossenschaften auf europäischer Ebene. Lotta Folkesson, Vorsitzende des Landfrauenausschusses in der Copa, unterstrich dabei die Bedeutung des weiblichen Inputs für den Agrarsektor.
„Auch 2022 stärken und unterstützen wir Frauen in der Landwirtschaft. In der EU sind 35 % der landwirtschaftlichen Betriebsführer Frauen und sie stellen fast 50 % der agrarischen Arbeitskräfte dar. Bäuerinnen und Landfrauen sind jedoch in den Gremien nicht ausreichend vertreten. Ich bin überzeugt, dass Frauen zu einem ökonomisch, ökologisch und sozial nachhaltigeren Agrarsektor beitragen. Frauen sind die treibende Kraft für Innovation und Diversifizierung. Durch ihre kreativen, neuen Ansätze gibt es gute Lösungen für uns alle”, betonte Folkesson. Den Abschluss der Reise bildete ein Besuch des Landwirtschaftsbetriebs Ferme Nos Pilifs (www.fermenospilifs.be), der sich auf die lokale Produktion und Direktvermarktung von Bio-Gemüse unter ethischen und sozialen Bedingungen spezialisiert hat und dabei die Inklusion fördert.
Was ist der ZAMm-Zertifikatslehrgang?
„ZAMm unterwegs“ wurde im Jahr 2010 von der Arge Bäuerinnen als Initiative gegründet, um insbesondere Frauen jenes Know-how zu vermitteln, das nötig ist, um sich in agrarischen Organisationen und auf politischer Ebene aktiv einzubringen und etwas zu bewegen. Im Lehrgang „Professionelle Vertretungsarbeit im ländlichen Raum“ erwerben die Teilnehmerinnen in insgesamt sechs Modulen Wissen und Fertigkeiten zu den Themenschwerpunkten Führungsmanagement, agrarwissenschaftliches Hintergrundwissen, Persönlichkeitsbildung und Öffentlichkeitsarbeit. Der Lehrgang zählt bislang rund 500 Absolventinnen.