Aufbruch in die Neue Welt
Es folgen ausführliche Schilderungen der anderen Passagiere und schließlich heißt es recht drastisch: „Ihr könnt euch alle gar keinen Begriff machen, wie grausig es zuging. Gspiem hat alles, die kleinen Kinder haben geschissen.“ Die junge Frau trägt nur Pinzgauer Doggln an den Füßen, aber der Boden sei nie trocken gewesen. „Es war sehr kalt auf dem Schiff, aber die Türen haben immer offen sein müssen. Sonst hat man es vor lauter Stinken nicht aushalten können.“
Schlimme Zustände
Es sind beklemmende Schilderungen, aber ohne viel zu jammern schafft sie es durchaus humorvoll, die missliche Lage der Familie zu beschreiben. In New York angekommen, wird die Situation nicht besser. Hans hat seine Familie nicht einmal vom Schiff abgeholt und es gibt weder die versprochene Arbeit noch Land oder einen Platz zum Wohnen. Sie landen schließlich in Pittsburgh und müssen Geld im Kohlebergbau verdienen. Es ist ein hartes Leben und immer wieder erwähnt Katharina in den Briefen, dass die Männer wochenlang keine Arbeit haben. „Es war nicht alles so glänzend, wie der Hans schrieb“, gesteht sie dem Vater. „So lange hat er gefoppt, dass wir mit ihm gereist sind, der verhängnisvolle Hans.“ Die anderen würden ihn für seine Lügen am liebsten erwürgen, fügt sie hinzu.
Die Briefe des Vaters sind leider nicht erhalten, aber er hat seiner Tochter angeboten, Geld für die Rückfahrt zu schicken. Auch wenn aus ihren Zeilen oft die pure Verzweiflung spricht, scheint sie zu stolz gewesen zu sein, um sein Angebot anzunehmen. Sie bedankt sich zwar sehr herzlich und schreibt, sie sei froh über diese Hilfe. Sie hoffe jedoch, dass die Zeit besser werde und man sich doch noch etwas ersparen könne. Sie wolle nicht, dass er sich ihretwegen schämen müsse, wenn die Tochter vom Rendl Peter mit nichts zurückkomme.
Rückkehr in die Heimat
1907 kehren Martin und Katharina doch heim, denn die junge Frau ist schwer krank. Sie stirbt bald darauf mit nur 32 Jahren an einem Lungenleiden. Martin kauft eine Landwirtschaft in Bruck, den Sieglbauernhof. Auch seine Eltern sind nun aus Amerika zurückgekommen und leben bei ihm. Zehn Jahre später verkauft der fleissige Arbeiter den Hof wieder und erwirbt unweit davon Höllern, ein stattliches Gasthaus mit Landwirtschaft. Er heiratet noch einmal, aber auch seine zweite Frau stirbt tragisch bereits mit 45 Jahren. Das Paar hat zwei Kinder, die jüngere Tochter Cäcilia ist 1929 geboren.
Die spektakulären Briefe über die Auswanderung ihrer Vorfahren sind heute in ihrem Besitz. Sie hat den kostbaren Schatz allerdings erst nach dem Tod des Vaters erhalten. Er habe leider kaum über diese Zeit gesprochen. „Ab und zu hat der Dati kleine Anekdoten erzählt, wie er etwa beim Einkaufen ausgelacht wurde, weil er ja anfangs kein Englisch konnte“, erzählt die Seniorin, die sich sehr für diese berührende Familiengeschichte interessiert. Die Englischkenntnisse waren dem Vater nach dem Krieg für die amerikanischen Soldaten hilfreich. Außer Hans sind auch seine Brüder wieder zurückgekommen. Josef wurde ebenfalls Wirt in Bruck, Alois war bettelarm und nie richtig sesshaft. Keiner von ihnen hat im vermeintlich „Gelobten Land“ sein Glück gefunden