Bäume auf den Äckern kennen wir - zumindest noch vereinzelt. Förderungen wie "Pro 100 gefällte Obstbäume gibt‘s eine gratis Motorsäge" haben viele Betriebe in den 60/70er Jahren zum Umschneiden ihrer Bäume bewegt.
Alle, bis auf einen Birnenbaum, haben am Betrieb von Johannes Doppelbauer daran glauben müssen. Als Landschaftselement dient er der Biodiversität, da viele Arten in dieser Nische ihren Lebensraum finden. Vor allem abgestorbene Äste, oder Baumhöhlen bieten als Totholz einen heute sehr seltenen, aber enorm wichtigen Ort für viele Tiere, Pilze und auch Pflanzen. Bäume wie Kornelkirschen, Baumhasel, Vogelkirsche oder Vogelbeeren sind für die Biodiversität besonders wertvoll. Dieser Beitrag zum Ökosystem hilft uns am Weg zu einem gesunden Gleichgewicht, wo Schadinsekten am Acker auch die nötigen Gegenspieler zu spüren bekommen.
350 in Reihen gepflanzte Obstbäume im letzten Jahr sollen am Betrieb von Johannes Doppelbauer das Mikroklima am 11 ha großen Acker wieder verbessern. Mit der Beschattung werden Pflanzen, Boden und Tiere vor der extremen Sommerhitze geschützt und somit kann die Implementierung von Agroforstanlagen am eigenen Betrieb einen Beitrag zur Anpassung an den Klimawandel sein.
Am 22. Mai 2024 fand ein von FiBL in Kooperation mit dem LFI organisiertes Seminar zu den beiden Betrieben im oberösterreichischen Zentralraum statt.
Agroforst und Freilandschweine
Am Hoblhof in Schleißheim leben 90 Freilandschweine in vier Gruppen. Jede Gruppe "bespielt" zwei Koppeln mit einer Breite von je 8 m, sodass eine Koppel immer pausieren kann und Futter darauf wachsen kann, das im Anschluss direkt abgefressen wird. Zwischen jeder zweiten Koppel und rund um die Weideflächen wurden Bäume gepflanzt. Momentan wächst Triticale auf den Flächen. Die aktive Bepflanzung und der regelmäßige Wechsel leisten einen Beitrag zur Reduktion von Stickstoffauswaschung durch den anfallenden Mist der Schweine. Auch hier leisten Bäume einen sehr wichtigen Beitrag: durch ihre tief gehenden Wurzeln kann nach unten verlagertes Nitrat aufgefangen werden und in Pflanzenbiomasse eingebaut werden. Durch das abfallende Laub der Bäume wird ein Teil davon wieder an die Bodenoberfläche gebracht. Dieser sogenannte Hutewald ist ein altes System der Beweidung. Auf Hängen wirkt Agroforst als Erosionsschutz. Durch geschickte Anlage werden die Hänge verkürzt und Wasser als auch Erde werden nach wenigen Metern vor dem Abfluss gehindert.
Baumwahl
Bei der Baumwahl kann nach verschiedensten Gesichtspunkten entschieden werden. Obstbäume wie Apfel, Zwetschke oder Edelkastanie können einen Beitrag zur Lebensmittelversorgung leisten. Wertholzbäume wie Walnuss, Eiche oder Buche können in einigen Jahrzehnten verkauft werden. Das ist auch ein Grund, warum in Frankreich Agroforstsysteme wiederentdeckt wurden. Die Pflanzung von Wertholzbäumen sollte als Erbe und Mitgift der weichenden Erben dienen. Diese Bäume werden also ganz bewusst für die nächste Generation gepflanzt. Die dritte Nutzung der Bäume liegt im Kurzumtrieb. Pappeln oder Weiden dienen der Energieversorgung, beispielsweise als Hackschnitzel.
Agroforstreihen können auch ganz bewusst gemischt werden. Am Hoblhof werden die hohen Wertholzbäume in der Reihe im Abstand von 10 m gesetzt. Sie brauchen noch lange, bis sie auch eine große Fläche ausnutzen. Bis dahin können die dazwischen gepflanzten Obstbäume auf Mittelstamm die Fläche mitnutzen. Neben den Blättern dient auch das herabfallende Obst als Futter für die Schweine und sie bieten eine gute Beschäftigungsmöglichkeit. In den Baumreihen wird Topinambur gesetzt, der auf der bespielten Koppel als Futter dient und auf der freien Koppel vom Menschen genutzt werden kann.
Verbiss durch Wild
Die Freilandschweine haben wegen der strengen Auflagen nach außen einen vierteiligen Zaun, bestehend aus zwei Wildzäunen und zwei Stromzäunen. In den Zaunzwischenräumen ist Platz für die Baumreihen. Zwischen den Koppeln sind die Bäume durch einen Stromzaun vor den Schweinen geschützt. Damit kann auch das Wild den Bäumen nichts anhaben. Bei Johannes Doppelbauer werden die Bäume mit einem Hasengitter vor Verbiss geschützt. Hier muss das Gitter regelmäßig kontrolliert werden. Im oberen freien Bereich kommt es immer wieder zu Wildverbiss, weshalb das Gitter mit der Zeit aus dem angehäufelten Boden rund um den Baum nach oben gezogen wird, um auch über diese Stellen zu reichen. Sollte dennoch ein Baum angebissen werden, kann er meistens trotzdem wieder austreiben. Werden die Wurzeln mit einem Gitter eingegraben, um vor Mäuseverbiss zu schützen, kann das später auch zum Problem führen, dass sich die Wurzeln mit steigendem Dickenwachstum am Gitter verletzen und Infektionsherde entstehen.
Agroforst und der Acker
Johannes Doppelbauer hat seine Obst-Agroforstanlage so angelegt, dass die Bäume im Abstand von 19,2 m stehen. Nach durchdachter Planung stehen die Reihen so versetzt zueinander, dass auch eine diagonale Überfahrt mit den betriebsüblichen Maschinen über das Feld weiterhin möglich ist. Dies wird beim Begrünungsanbau zunutze gemacht. Am Rand sollten mindestens 18 m freigelassen werden, um das Dreschen der Feldfrüchte fast ungehindert durchzuführen.
Johannes Doppelbauer hat die Erfahrung gemacht, dass eine tiefe Bearbeitung neben den Bäumen zu einer Verbesserung der Ackerkulturen führt. Der Baum wird damit von Anfang an dazu erzogen, seine Wurzeln tiefer anzulegen. Damit holt er sich Nährstoffe und Wasser aus einer tieferen Schicht als die Fruchtfolgeglieder zwischen den Baumreihen und diese wachsen seinen Beobachtungen zufolge besser.
Kohlenstoffanreicherung in Boden und Holz ist ein weiteres Ziel von Agroforstanlagen. Hier kann im Gegensatz zum Wald Lebensmittelproduktion mit Baumbewuchs kombiniert werden. Kohlenstoff wird nicht nur oberirdisch gespeichert, sondern durch das tiefe Wurzelwachstum auch weit nach unten gebracht und dort als Wurzel- oder mikrobielle Biomasse gespeichert.
Bäume wollen gepflegt werden
Um den Bäumen ein schnelles Wachstum zu ermöglichen, sollte die Baumscheibe frei von Bewuchs gehalten werden. Dazu kann händisch gehackt werden, Karton aufgelegt werden und Rindenmulch, Hackschnitzel oder gehäckselter Miscanthus aufgebracht werden. Bei Mäusedruck soll die Kartonauflage im Herbst beseitigt werden, um ein Einnisten über den Winter zu verhindern. Eine zu hohe Mulchschicht sollte ebenso vermieden werden, um den Baum noch atmen lassen zu können. Diese Baumscheiben markieren die Bäume außerdem sehr gut, um sie vor unabsichtlicher Einarbeitung am Acker zu schützen.
Nach dem Pflanzen der Bäume fällt viel Arbeit damit an - Unkrautmanagement, Schnitt und Schutz vor Verbiss sind wichtige Arbeiten, die laufend anfallen. Auch sollten die Bäume mit einem Gummiband an einem Pflock, am besten einem 5 m hohen Bambusstab angebunden werden. So werden sie bei der Feldarbeit leichter gesehen und der Stamm wächst eher gerade, was vor allem für die Nutzung als Wertholz enorme Bedeutung hat. Bambusstäbe sollen gut 40 cm tief eingegraben werden, um stabil zu stehen. Achtung: sie dürfen nicht hineingeschlagen werden, da sie sonst zerbrechen. Um einen Baum als Wertholz verwenden zu können, sollte der gerade Stamm 3 - 4 m betragen.
Die Krone der Bäume sollte die Hälfte bis zu zwei Drittel der Baumhöhe ausmachen, um vor Windbruch zu schützen. Erst dann kann durch das "sturmsichere" Verhältnis vor einer enormen Hebelwirkung bei starken Böen geschützt werden. Große Kronen bewirken, wie in der Forstwirtschaft, auch ein schnelles Dickenwachstum, da die Assimilationsleistung viel höher als bei kleinen Kronen ist.
Sitzstangen für Greifvögel sollten neben den Bäumen angebracht werden. Die Vögel setzen sich auf den höchsten Punkt, weshalb die Stangen höher als der Baum selbst sein müssen. Setzen sie sich hingegen auf den Leittrieb, kann dieser abbrechen.
Finanzierung
Beide Betriebe haben den Einkauf der Bäume über Baumschulen abgewickelt. Einige Buchen wurden auch durch Naturverjüngung gewonnen, um Kosten zu sparen. Das Land Oberösterreich vergibt die Förderung "Naturaktives Oberösterreich", in der Obstbäume und andere Gehölze auch in Agroforstanlagen gefördert finanziert werden können. Am Hoblhof können Privatpersonen Patenschaften für Obstbäume übernehmen. Wenn sie einen Baum im Außenzaun wählen, können sie die Früchte ernten, die auf der nach außen liegenden Baumseite anfallen - die andere Hälfte bekommen die Schweine. Dieses Konzept fördert den Kundenkontakt in der Direktvermarktung, erleichtert die Finanzierung und lässt besondere Obstsorten ihren Platz finden.
Beispiele gesucht
Eine Novelle im Forstgesetz ermöglicht nun das Pflanzen von Agroforstanlagen, da sie von der Waldwerdung ausgenommen sind. Sie ist gültig bei allen Flächen mit der Anlage ab 1. Jänner 2023. Die Flächen müssen innerhalb von zehn Jahren gemeldet werden.
Agroforstsysteme sind noch selten, weshalb eine Vernetzung untereinander enorm wichtig ist und viele Vorteile bringt. Das Patentrezept gibt es noch nicht und wird es wohl nie geben. Für einen Austausch und auch ein gutes Gestalten von zukünftigen Förderprogrammen werden Betriebe mit Agroforst vom FIBL gesucht und bei Wunsch auch auf einer online-Landkarte eingezeichnet. Weitere Informationen bietet auch die europäische Agroforstvereinigung. Einen regen Austausch gibt es bereits über die Sozialen Medien.
In Kürze geht eine neue Broschüre "Mehr Bäume, mehr Nutzen. Vorteile von Agroforstsystemen für Landwirtschaft und Umwelt" online, inkl. Versuchsergebnissen und den verschiedenen Möglichkeiten Agroforstsysteme in Österreich im Fördersystem anzugeben und nähere Infos zur neuen Maßnahme "Agroforststreifen" (hier das AMA-Merkblatt dazu)