Pionierin erfand neue Schrift für alte Strickmuster
„Liebe Anfängerin! Stricken ist nicht langweilig! Es ist auch keine Hexenkunst“, schreibt Lisl Fanderl im Vorwort zu ihrem ersten Buch „Bäuerliches Stricken“ aus dem Jahr 1975. Es wurde ein Bestseller, ebenso wie die Folgebände. Es sei jedoch kein Strick-Lehrbuch, betont die Autorin. Sie setzte voraus, dass die Leserinnen wissen, wie Ferse, Spitze und Ärmelloch zu machen sind. Ihr Anliegen war es, die Vielfalt der Muster zu bewahren.
Hommage an die Strick-Pionierin
Zum 100. Geburtstag der erfolgreichen Strick-Pionierin veranstaltete der Kulturverein Tauriska eine Gedenkfeier in ihrem Geburtsort Leogang. Der Vater von Elisabeth Mayer war Förster der Bayerischen Saalforste, die Familie lebte damals in jenem Haus, wo heute das Bergbaumuseum untergebracht ist. Lisl, die älteste von drei Schwestern, besuchte das Gymnasium der Ursulinen in Salzburg und wurde Hauswirtschaftslehrerin. Bald stellte sie zu ihrem Bedauern fest, dass Strümpfe, Westen und Jacken „immer glatter, immer nüchterner“ wurden und machte sich auf die Suche nach alten Vorlagen. Nach dem ersten Fund von raren Strickmusterbändern „brannte das Feuer der Begeisterung lichterloh“. Mit Hilfe einer Lupe hat sie die filigranen Kunstwerke abgezeichnet und dafür sogar eine eigene Strickschrift erfunden.
Rettung alter Muster
Ihrer großen Sammelleidenschaft ist es zu verdanken, dass viele dieser überlieferten Muster erhalten geblieben sind.
„Meine Mutter hat in jeder freien Minute gestrickt“, erzählte ihre Tochter Monika bei der Veranstaltung im Gotik- und Bergbaumuseum. So wie die Mutter für den Erhalt alter Strickmuster sorgte, war es ein Anliegen des Vaters, altes Liedgut zu bewahren. Wastl Fanderl war ein sehr bekannter Hüter der traditionellen, bayerischen Volksmusik. Der Musiker produzierte viele Radio- und Fernsehsendungen und veröffentlichte auch Liederbücher. Seine Frau Lisl war auch seine Managerin, die erklärte: „Strickmuster und alte Lieder haben etwas gemeinsam. Sie geraten in Vergessenheit, wenn man sie nicht aufschreibt.“
Stricken war Männersache
Damit diese bemerkenswerte Frau selber nicht in Vergessenheit gerät, berichteten bei der Gedenkfeier einige Anwesende, die sie noch persönlich gekannt haben, von ihrem unermüdlichen Einsatz. Denn nicht nur durch ihre Bücher, auch in vielen Kursen brachte sie interessierten Frauen die Kunst der alten Muster bei.
Es waren tatsächlich nur Frauen, die Männer profitierten höchstens von den schönen Stutzen, die sie bekamen. Dabei war Stricken als Handwerk in Europa früher den Männern vorbehalten. Ein professioneller Stricker in Paris musste sechs Jahre lernen. Heute sind Männer mit Stricknadeln aber eher unüblich.
Mangelndes Wissen
Andreas Herzog, Stellvertreter von Kustos Hermann Mayrhofer vom Gotik- und Bergbaumuseum, hat zwar in der Volksschule ebenfalls stricken gelernt, seither aber nie mehr zu den Nadeln gegriffen. Anscheinend können inzwischen aber selbst Schülerinnen nicht mehr stricken, wie Ulrike Winding, Direktorin an der Landwirtschaftlichen Fachschule Bruck, bedauert. „Vor 30 Jahren haben wir in der Schule noch Muster aus dem Fanderl-Buch gestrickt. Aber die meisten Schülerinnen, die heute zu uns kommen, können nicht mehr stricken, da müssen wir bei null anfangen.“
Die Salzburger Volkskultur veranstaltet ab Dienstag, dem 15. März wieder einen Kurs „Stutzen stricken“. Kontakt: anmeldung@heimatvereine.at