Kuhattacken: OGH sieht Eigenverantwortung
Im Oktober 2023 wurde ein Ehepaar bei seiner Wanderung auf einem gekennzeichneten Almweg in der Turrach in Kärnten von einer Mutterkuh attackiert und schwer verletzt. Das Tier mit einem sieben Tage alten Kalb stieß zunächst den Mann zu Boden und ging dann auf die Frau los. Diese landete mit Knochenbrüchen im Spital. Der Anwalt klagte auf Schmerzensgeld in der Höhe von 35.000 Euro. Der zentrale Vorwurf lautete, dass der Bauer als Tierhalter seine Verwahrungspflicht verletzt habe. Auf dem Weg sei es so eng gewesen, dass die Wanderer nicht genug Sicherheitsabstand zu der Kuh einhalten konnten und die Weidefläche abgezäunt hätte werden müssen.
Der Fall landete nach dem Oberlandesgericht mittels außerordentlicher Revision vor den Höchstrichtern. Diese entschieden nun für den Almbauern und lieferten auch eine ausführliche Begründung. Demnach treffe den Bauern keine Schuld, da die Tiere nicht als gefährlich galten und ortsüblich verwahrt wurden. Die angebrachten Warnschilder reichten aus, die Wanderer müssten sich ihrer Eigenverantwortung bewusst sein und der Kuh im Zweifel den Vortritt lassen, so der Spruch des OGH.
Das Urteil wird von der Agrarpolitik sowie den Almbäuerinnen und -bauern mit großer Erleichterung aufgenommen, es sei geradezu „richtungsweisend“, so viele Kommentare.
„Die Haftungsfragen in Zusammenhang mit Wanderwegen sind für die Almbäuerinnen und Almbauern in den vergangenen Jahren ein echtes Thema geworden“, so der Präsident der Landwirtschaftskammer Salzburg, Rupert Quehenberger. Er sieht durch das Urteil deutlich mehr Rechtssicherheit und begrüßt es, dass insbesondere der Eigenverantwortung der Almbesucher großes Gewicht eingeräumt wurde. „Das Gericht bestätigt, dass die Abgrenzung der Wanderwege durch Zäune weder üblich noch zumutbar sei und diese Form der Tierhaltung ortsüblich sei. Auch der Hinweis auf Weidetiere am Beginn des Wanderweges wird als ausreichend gesehen. Für uns sind das wesentliche Punkte, die es auch weiterhin möglich machen, Almwege für Besucherinnen und Besucher offen zu halten.“
Rupert Quehenberger, Präsident LK Salzburg
"Das Urteil unterstreicht die Eigenverantwortung beim Almwandern. Für uns ist es richtungsweisend."
Urteil ist kein Freibrief
Der Präsident warnt allerdings auch davor, darin einen Freibrief zu sehen: „Im Urteil wird auch angeführt, dass unter besonderen Umständen höhere Anforderungen an die Verwahrung der Tiere gelegt werden können. Dies betrifft beispielsweise Weiden in der Nähe von stark befahrenen Straßen oder die Verwahrung von Tieren, die durch aggressives Verhalten aufgefallen sind. Dazu heißt es im Urteil: „... der Halter kann bei der Beurteilung der Frage, welche Verwahrung erforderlich ist, auf anerkannte Standards der Tierhaltung zurückgreifen. Andernfalls hat er die im Hinblick auf die ihm bekannte Gefährlichkeit der Tiere, die ihm zumutbaren Möglichkeiten zur Vermeidung solcher Gefahren und die erwartbare Eigenverantwortung anderer Personen gebotenen Maßnahmen zu ergreifen. Die erwartbare Eigenverantwortung der Besucher von Almen und Weiden richtet sich nach den durch die Alm- und Weidewirtschaft drohenden Gefahren, der Verkehrsübung und anwendbaren Verhaltensregeln.“
Wie der OGH seinen Beschluss begründet
Der OGH bestätigt in seinem Beschluss den Spruch des Berufungsgerichtes. Die freie Weidehaltung von Mutterkühen mit Kälbern sei im betreffenden Gebiet ortsüblich und die gehaltenen Fleckvieh-Kühe wiesen weder besondere Auffälligkeiten noch einen Hang zur Aggressivität auf.
Der Beklagte sei zudem seit seinem 15. Lebensjahr mit dem Umgang mit Rindern vertraut, der vorliegende Fall der erste, bei dem eine seiner Kühe einen Wanderer angegriffen habe. Der Angriff ereignete sich auf einem nicht stark frequentierten Bringungsweg – an dessen Beginn ein Warnschild angebracht sei, das in zwei Sprachen vor dem Kontakt mit dem Weidevieh warne, den Hinweis darauf enthalte, dass Kühe ihre Kälber schützen, und Verhaltensregeln beim Mitführen von Hunden aufstelle.
Der OGH bestätigt damit das Urteil des Berufungsgerichtes und sieht keine Notwendigkeit für besondere Vorsichtsmaßnahmen, insbesondere ein von der Klägerin verlangtes Einzäunen beziehungsweise eine gesonderte Verwahrung von Mutterkühen und Kälbern.