Hallstatt: Die ersten Jahre der Ewigkeit
Im historischen Ortszentrum von Hallstatt befindet sich das Beinhaus. Hier finden sich die Gebeine der Verstorbenen in ihren „ersten Jahren der Ewigkeit“. Das aus dem 12. Jahrhundert stammende, traditionsreiche Gebäude in der Michaeli-Kapelle zählt wohl zu den interessantesten Sehenswürdigkeiten im Weltkulturerbe-Ort Hallstatt. Es besteht seit dem zwölften Jahrhundert. In diesem Karner liegen derzeit 1.200 Schädel. 610 davon sind bemalt, nach Familien geordnet und mit dem Sterbedatum versehen.
Bislang letzte Karnerbestattung 1983
Die Tradition des Datierens und Bemalens begann um 1720. Diese Tradition entstand aus dem Umstand, dass in Hallstatt der Raum zwischen See und den steilen Hängen sehr eingeschränkt ist. Da auch die Fläche für den Friedhof so klein ist, keine Erweiterungsmöglichkeit besteht und früher auch keine Feuerbestattungen erlaubt waren, war stets zu wenig Platz. So wurden die Gräber meist zehn bis fünfzehn Jahre nach einer Bestattung wieder geöffnet und die Schädel, aber auch die Röhrenknochen, die viel Platz einnahmen, herausgenommen. Die Schädel wurden gereinigt und einige Wochen lang dem Sonnen- und Mondlicht ausgesetzt, bis sie zu einem milden Elfenbein ausgebleicht waren. Da man die Gräber mit Blumen schmückt, wurden schließlich die Schädel symbolisch mit Blumenkränzen bemalt. In neuerer Zeit werden kaum noch Karner-Bestattungen vorgenommen. Eine der letzten erfolgte von einer Frau, die 1983 starb. Es war ihr persönlicher Wunsch, ins Beinhaus gelegt zu werden. Wer den Wunsch hat, seinen Schädel und die Knochen im Beinhaus aufbewahren zu lassen, muss dies persönlich testamentarisch festlegen. Nach etwa zehn Jahren Grabesruhe wird der Schädel herausgenommen, chemisch gereinigt und bemalt. Die Bemalung von menschlichen Schädeln als Phänomen einer modernen westlichen Industriegesellschaft irritiert. Diese eigentümliche Kombination von menschlichen Überresten und künstlerischer Gestaltung erweckt Neugierde und erzeugt in unserer Gefühlswelt wohl auch ein leichtes Gruseln. In Hallstatt, dem zentralen Ort der UNESCO-Welterberegion Hallstatt/Dachstein Salzkammergut, war bis zum Ende des 20. Jahrhunderts der Brauch aufrecht.
Die Bemalung der Schädel
Friedrich Idam, Jahrzehnte der Verantwortliche für diese Gestaltung: „Die Bemalung der stilistisch jüngeren Hallstätter Schädel setzt sich aus einem Textteil im Bereich des Stirnbeins und einer ornamentalen Gestaltung an den beiden Schläfenbeinen zusammen. Der Text, der von einem lateinischen Kreuz oder von Schlägel und Eisen bekrönt wird, nennt Namen, Geburts- und Sterbejahr und ist in schwarzer Frakturschrift gehalten. Die ornamentale Bemalung an den Schläfen ist polychrom ausgeführt; männliche Schädel zieren Efeu oder Eichenlaub in dunklen Grüntönen. Für die Bemalung weiblicher Schädel sind oft Blumenmuster zu finden, die sowohl in der Gestaltung als auch in der Farbgebung den volkstümlichen Mustern der Möbelbemalung des ausgehenden 18. bzw. des frühen 19. Jahrhunderts entsprechen.“