Glutenfrei ohne Grund wird nicht empfohlen
Professor Dr. med. Thomas Ellrott ist Leiter des Instituts für Ernährungspsychologie an der Georg-August-Universität in Göttingen, welches sich unter anderem der Frage widmet, warum Menschen anders essen, als sie sich ernähren sollten. Man stelle sich folgendes Szenario vor: Eine Familie lebt in einer großen Stadt und die Eltern haben die Aufgabe, für den Kindergarten ihrer Kinder einen Kuchen zu backen. „Diese Aufgabe ist heute wesentlich komplizierter als früher, denn heute muss der Kuchen glutenfrei, laktosefrei und vegan sein und darf gleichzeitig außerdem keinen Zucker enthalten“, illustriert Thomas Ellrott ein Beispiel, das zeigen soll, wie sich der Bezug vom Menschen zur Ernährung in den letzten Jahren und Jahrzehnten gewandelt hat. Die Entwicklung des Marktes habe in den letzten Jahren ganz schön geboomt: Wenn man sich das Wachstum des Marktes an glutenfreien Lebensmitteln anschaue, dann komme man zum Schluss, dass es ganz viele Menschen gebe, die diese Produkte kaufen und essen würden, obwohl sie Gluten eigentlich vertragen würden.
Gefühlte Gesundheit
Aus rein gesundheitstechnischen Gründen könne man diesen Kaufentscheid nicht begründen – jedenfalls nicht nur. Studien zeigten nämlich, dass, wer aus freien Stücken und ohne Diagnose beispielsweise einer Zöliakie kategorisch auf Gluten verzichte, Mikronährstoffdefizite aufweisen könne und ein Problem mit Getreideballaststoffen bekomme, die für die Gesundheit und das Gewichtsmanagement wichtig seien. Aus wissenschaftlicher Sicht sei hier also eine gewisse Skepsis geboten, denn glutenfrei sei nicht per se gesund oder gesünder, sagt Thomas Ellrott und fügt an: „Außerdem haben Konsumenten beim Kauf ja auch echte Kröten zu schlucken, denn erstens sind diese Produkte wesentlich teurer als die Gluten-Version davon und zweitens schmecken die Produkte anders.“
Ein Grund für dieses eigentlich irrationale Verhalten sei bei der sogenannten „gefühlten Gesundheit“ zu suchen – in der Wissenschaft „Halo-Effekt“ genannt. „Wenn glutenfrei draufsteht, dann denken viele Konsumenten, dass das gesund ist – streng genommen steht da aber nur drauf, dass kein Gluten drin ist.“ Über einen Sportverein, musizieren oder andere Tätigkeiten könnte man seine Identität durchaus auch individualisieren und formen. Dass viele Menschen dazu aber Ernährung nutzten, habe mit der fundamentalen Veränderung in unserer Medienwelt zu tun – mit Digitalisierung, erklärt Ellrott. Essen werfe regelmäßig Bilder und Videos ab und genau diese seien die Währung des digitalen Zeitalters. „Essen kann man tagtäglich mehrfach inszenieren und bekommt dafür Status in den sozialen Medien“, führt er weiter aus. Wer solche Bilder poste, zeige etwas von sich und werde von anderen wahrgenommen.
Ein Grund für dieses eigentlich irrationale Verhalten sei bei der sogenannten „gefühlten Gesundheit“ zu suchen – in der Wissenschaft „Halo-Effekt“ genannt. „Wenn glutenfrei draufsteht, dann denken viele Konsumenten, dass das gesund ist – streng genommen steht da aber nur drauf, dass kein Gluten drin ist.“ Über einen Sportverein, musizieren oder andere Tätigkeiten könnte man seine Identität durchaus auch individualisieren und formen. Dass viele Menschen dazu aber Ernährung nutzten, habe mit der fundamentalen Veränderung in unserer Medienwelt zu tun – mit Digitalisierung, erklärt Ellrott. Essen werfe regelmäßig Bilder und Videos ab und genau diese seien die Währung des digitalen Zeitalters. „Essen kann man tagtäglich mehrfach inszenieren und bekommt dafür Status in den sozialen Medien“, führt er weiter aus. Wer solche Bilder poste, zeige etwas von sich und werde von anderen wahrgenommen.
Halo-Effekt erklärt
„Das bedeutet, dass ein Produkt ein besonders gutes Gesundheitsimage hat, das es de facto aber gar nicht liefert“, erklärt Thomas Ellrott. Und ein solcher Halo-Effekt sei aktuell beispielsweise bei glutenfreien Lebensmitteln ganz stark zu beobachten.