Energiekrise als zweite Chance für Biogas

Wenn Russland den Gashahn abdreht, dann steht auch in Österreich vieles still. Die Energie-Abhängigkeit des Westens ist mit dem Ukraine-Krieg plötzlich ein brennendes Thema geworden. In der aktuellen Diskussion werden momentan viele Energiequellen als Alternative gehandelt. Ganz vorne mit dabei ist auch Biogas. „Die derzeit als Ausweg diskutierten Importe von Flüssiggas sind eine teure und klimaschädliche Notlösung“, gibt etwa Bauernbund-Präsident Dipl.-Ing. Georg Strasser zu bedenken. „Nachhaltiges Biogas kann hingegen dazu beitragen, die Energieversorgung in Österreich weiterhin sicherzustellen. Alleine mit organischen Abfällen könnten wir 20 Prozent des inländischen Erdgasbedarfs ersetzen“, ist Strasser überzeugt.

Potenzial wäre vorhanden
Doch was kann Biogas tatsächlich leisten? Dass das Potenzial in Österreich beachtlich ist, daran gibt es wenig Zweifel. Neben der Verwertung organischer Abfälle etwa aus dem Restmüll könnte auch die Landwirtschaft einen beträchtlichen Anteil an Substraten beisteuern – sei es durch Ackerfrüchte wie Mais, Silage von Wiesen oder über die Gülle aus Tierhaltungen. „Der Biogasausbau könnte mittelfristig 20 % Gasimporte ersetzen“, sagt Norbert Hummel, Obmann des Kompost- und Biogas-Verbandes. Derzeit speisen in Österreich erst 15 Anlagen Biomethan in das Erdgasnetz ein. Durch die Verwertung organischer Abfälle und Reststoffe aus der Land- und Forstwirtschaft können bis 2030 über 1 Mrd. m3 Biomethan in Österreich erzeugt werden, insgesamt bestehe ein Potenzial von über 3 Mrd. m³.
Ausbau vor zehn Jahren ins Stocken geraten
Um dieses Potenzial zu heben, bedürfe es allerdings eines enormen Ausbaues der Biogasanlagen. In Österreich ist dieser allerdings bereits vor vielen Jahren ins Stocken geraten. Nach der großen Euphorie zu Beginn des Jahrtausends ist in Salzburg im Jahr 2012 in Steindorf (Straßwalchen) die letzte neue landwirtschaftliche Anlage ans Netz gegangen. 15 Mio. Kubikmeter „grünes Gas“ wurden seither vorwiegend aus Gras und Gülle gewonnen und ins Erdgasnetz der Salzburg AG eingespeist.

Aktuell zählt die Anlage 75 Mitglieder – Tendenz wieder steigend, freut sich Peter Stiegler aus Köstendorf, der das Projekt vor Jahren als Mitarbeiter der Friedburger Energiewerkstatt entwickelt hat. Stiegler ist heute hauptberuflich beim Salzburger Institut für Raumordnung und Wohnen beschäftigt, der Graskraft Steindorf ist er aber als ehrenamtliches Vorstandsmitglied treu geblieben. Sein Herz schlägt nach wie vor für Biogas, obwohl die Anlagenbetreiber in den vergangenen Jahren wirtschaftlich eine harte Zeit durchgemacht haben. „Es gibt bei Gas seit Jahren keine Regelung der Einspeisung wie etwa bei Strom. Die Tarife werden frei verhandelt und das hat den Neubau von Biogasanlagen fast vollständig zum Erliegen gebracht“, schildert er die Lage.
Salzburg bei Gaseinspeisung führend
In Partnerschaft mit der Salzburg AG hat man in Straßwalchen bereits vor zehn Jahren die Einspeisung ins Erdgasnetz umgesetzt. Technisch sind die Anlagen mittlerweile ausgereift. „Salzburg war hier ein Vorreiter und ist anderen Bundesländern um zehn Jahre voraus“, ist Stiegler durchaus stolz. Er ist überzeugt: Biogas könne in Zukunft einen wichtigen Beitrag für mehr Unabhängigkeit der Energieversorgung in Österreichs leisten. Dazu brauche es aber auch entsprechende Rahmenbedingungen, die er derzeit (noch) nicht sehe. „Politische Absichtserklärungen sind zu wenig, damit kann man nicht kalkulieren.“ Auch die Erweiterung bestehender Anlagen sei eine Möglichkeit. Die Anlage in Straßwalchen könnte schon jetzt die Gasproduktion um rund 30 % steigern, Pläne für eine Verdoppelung der Biogasproduktion, etwa durch den Bau einens weiteren Fermenters liegen ebenfalls bereits in der Schublade. Interessierte Landwirte seien schon jetzt willkommen und könnten so überschüssige Flächen bzw. Futtermittel sinnvoll verwerten.
Die Angst, dass mit neuen Anlagen der Konflikt um landwirtschaftliche Pachtgründe wieder angeheizt würde, sieht Stiegler nicht. Im Gegenteil: „Bei uns liefern immer mehr Landwirte Gülle an, um sie vergären zu lassen. Der Dünger wird damit geruchsärmer, wirkt besser und die Betriebe können auch Grubenraum sparen. Davon profitieren alle und ganz nebenbei entstehen aus jedem Kubikmeter Gülle 20 Kubikmeter Biogas.“