Damit man beim Stallbau keine bösen Überraschungen erlebt
Motivierte Betriebsleiter, verbesserte Arbeitsabläufe und optimale Haltungs- und Produktionsbedingungen sind allemal gerechtfertigte Gründe, welche für den Milchviehstall(neu)bau stehen. Während die Bau- und Investitionskosten nicht unwesentlich von Jahr zu Jahr steigen und die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen (Klimakrise, Milchpreisvolatilität, Stopp der Investitionsförderung) eine besondere Herausforderung darstellen, lädt ein historisch niedriges Zinsniveau förmlich zum Investieren ein, eine wahrlich groteske Situation für die Milchviehhalter. Zahlreiche im Rahmen der Investitionsförderung betreute und abgerechnete Projekte der letzten Jahre zeigen allerdings, dass die Investitionskosten teils utopische Höhen erreichen und Betriebe zunehmend hohe Bankverbindlichkeiten in Kauf nehmen (müssen). Betrachten wir die wirtschaftlichen Herausforderungen der heutigen Zeit, ist im Vorhinein sowohl eine sorgfältige und professionelle bauplanliche als auch betriebswirtschaftliche Auseinandersetzung mit dem Projekt unerlässlich. Der folgende Beitrag versucht auf Basis der Erfahrungen aus den Investförderprojekten und Beratungsfällen eine Hilfestellung für die einzelnen Maßnahmen und Planungsschritte darzustellen und auf Fehlerquellen und Schwachstellen hinzuweisen.
Bauplanung bis ins Detail fertigstellen
Die eigentliche Bauplanung des Vorhabens umfasst in der Regel mehrere Planungsschritte und reicht im Optimalfall von der Erhebung der generellen Planungsmöglichkeiten und Alternativen über die Entwurfsplanung bis hin zum fertigen Einreichplan sowie etwaigen Detailplänen (Polierplan etc.). Als Planer kommen hier stallbauerfahrene Planungsfirmen bzw. für diesen Bereich zuständige Planungsbüros infrage. In jedem Fall gilt es, keine vorschnellen Planungslösungen zu realisieren, sondern möglichst sorgfältig, unvoreingenommen, bis zu einem gewissen Grad auch kompromissbereit an die Sache heranzugehen. Details, welchen hier zu wenig Bedeutung beigemessen wird, müssen somit später in der ohnehin stressigen Bauphase geklärt, allenfalls Fehler behoben werden. Das kostet Nerven, Zeit und letztlich Geld.
Kosten werden teils stark unterschätzt
Die Gesamtinvestitionskosten für das beabsichtigte Projekt müssen generell in jeder Phase der Bauplanung im Auge behalten werden und die Finanzierungsplanung darauf abgestimmt werden. Tendenziell werden die tatsächlichen Kosten zum Teil massiv unterschätzt und sind böse Überraschungen durch Baukostenüberschreitungen keine Seltenheit. In der frühen Planungsphase eignen sich zur Kostenschätzung Baurichtsätze (Pauschalkostensätze) des BMLRT. Diese kann entweder mit €/m² oder €/m³
für einzelne Gewerke (z. B. Stall, Grube, Heulager etc.) durchgeführt werden und mit Angeboten zu allen technischen Einrichtungen erweitert werden.
Zudem können verschiedene Gegebenheiten (z. B. besonderes Bauerschwernis durch nicht tragenden Untergrund, Hanglage etc.) oder zusätzliche Aufwendungen durch Abriss bestehender Gebäudeteile aufgeschlagen werden. Die Pauschalkostensätze sind als Netto-Herstellungskosten auf Basis einer firmenmäßigen Fertigung bei mittlerer Bauqualität zu verstehen. Das Ergebnis der ermittelten Kosten ist freilich keine Garantie, allerdings bereits ein probates Mittel zur Kostenprognose. Stimmen der Weg und das Budget, kann nach der Weiterplanung (Vorabzug Einreichplan) mit einer detaillierten Kosten- und Finanzierungsplanung begonnen werden. Sämtliche Angebote zu allen baulichen Gewerken und technischen Anlagen sind rechtzeitig und lückenlos einzuholen sowie möglichst im Detail auszuverhandeln.
Das betrifft nicht nur die Baumeisterarbeiten, die Halle und die Stalleinrichtung, sondern auch den Installateur, den Elektriker sowie die gesamte benötigte zusätzliche technische Ausstattung für Melk-, Fütterungs- und Gülletechnik. Außer Acht darf auch nicht der Aufwand für die Bagger- und Erdbewegungsarbeiten gelassen werden. Nebenkosten (z. B. Gebühren, Geometer, Verpflegung, Infrastruktur etc.) sowie Folgekosten (z. B. Viehselektion und -zukauf etc.) dürfen nicht vergessen werden und sollten eher großzügig einberechnet werden. Zahlreiche Fälle im Rahmen von Beratungen und Betriebskonzepterstellungen zeigen immer wieder, dass diese Aspekte häufig im Detail vernachlässigt werden bzw. Kosten auf Basis unvollständiger Angebote meist zu optimistisch geschätzt werden.
Eigenleistung nicht überschätzen
Wichtige Aspekte und Schwachstellen
- Eine rechtzeitige Kosten- und Finanzierungsplanung ist Bestandteil der Planungsphase
- Kostenschätzungen fallen generell und tendenziell zu optimistisch aus – immer Reserven einberechnen, Eigenleistungsanteil nicht überbewerten, Folgekosten berücksichtigen
- Professionelle Kostenschätzungen und lückenlose Finanzierungsplanung, Ausverhandlung der Kreditkonditionen mit dem Kreditinstitut – rechtzeitig Gespräche mit der Bank führen, nicht erst im Zuge der Bauphase bei womöglich aufgebrauchtem Eigenkapital
- Sämtliche Kostenverhandlungen sind rechtzeitig vor Baubeginn vorzunehmen
- Ein vollständiger Kosten- und Finanzierungsplan gibt einem die Gewissheit, von bösen Überraschungen (z. B. massive Baukostenüberschreitung und Nachverhandlung der Fremdmittel) möglichst verschont zu bleiben
Um Fehlinvestitionen zu vermeiden und das Risiko zu vermindern, ist es wichtig, sich zeitig mit den betriebswirtschaftlichen Konsequenzen der Investition auseinanderzusetzen. Fakt ist, jeder Euro, der ausgegeben wird, steht nicht mehr für Folgeinvestitionen zur Verfügung und ist damit gebundenes „totes Kapital“, das erst wieder erwirtschaftet werden muss. Die Herausforderungen, um langfristig wirtschaftlich zu bleiben, steigen abgesehen von vielen weiteren Faktoren mit der Investitionssumme des Stalles, da die erhöhte Fixkostenbelastung (AfA und Instandhaltung, Versicherung) zusätzlich erwirtschaftet werden muss. Vielfach werden hohe Investitionssummen mit einer in Aussicht stehenden Produktionsintensivierung und Arbeitsplatzverbesserung (mehr Fläche, mehr Kühe, mehr Milch, weniger Arbeit/Kuh, körperliche Arbeitsentlastung) gerechtfertigt. In der Praxis ist es aber nicht immer der Fall, dass dadurch die finanzielle Belastung vollständig bzw. im geplanten Zeitrahmen kompensiert werden kann.
Folgeinvestitionen unbedingt einplanen
Als Hauptziele werden beim Stallneubau neben einer Verbesserung des Arbeits- und Tierkomforts in vielen Fällen eine Aufstockung der Herde und der Flächen, eine Intensivierung der Produktion und damit verbunden eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit des landwirtschaftlichen Betriebes genannt. Die Investition wird sohin in den meisten Fällen als Meilenstein schlechthin für die weitere betriebliche Zukunft gesehen. Für diese vielversprechende Perspektive ist man bereit, einiges an Geld auszugeben und gegebenenfalls auch Schmerzgrenzen zu überschreiten.
Eine Abschlussinvestition für viele Jahre ist der Stallbau allerdings nur in den seltensten Fällen. Das Arbeiten und Wirtschaften im neuen Stall schreibt seine eigenen Gesetze. Die Produktionsbedingungen (Haltung, Arbeitsabläufe, Fütterung u. v. m.) ändern sich wesentlich, insbesondere bei der meist üblichen Umstellung von Anbinde- auf Laufstallhaltung. Die Anforderungen an die Arbeitskräfte, aber auch an die Tiere steigen ebenso wie die Ansprüche der Betriebsfamilie. Insbesondere Betriebe, die noch am Beginn der Weiterentwicklung stehen (niedriges Produktionsniveau, unzureichende Grundfutterqualitäten, wenig Gebäude- und Lagerkapazität, veraltete Maschinen und Geräte), sollten resultierende Folgekosten in ihr Betriebskonzept einkalkulieren.
Weitere Entwicklung muss möglich sein
LK-Beratung rechtzeitig in Anspruch nehmen
Auch wenn die Investition aufgrund eines hohen oder gänzlichen Eigenmittelanteils leichter finanzierbar ist oder dahingehend kein größeres Risiko darstellt, kann ein Blick auf die Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit des Projekts keinesfalls schaden. Die Landwirtschaftskammer Salzburg bietet hier verschiedene Beratungsmöglichkeiten in Form von detaillierten Betriebsplanungen oder Betriebskonzepten an. Leider wird diesbezügliche Beratung sehr häufig erst im Zuge einer Förderantragstellung in Anspruch genommen, wenn das Projekt bereits in den Startlöchern steht und grundsätzlich kein Handlungsspielraum mehr besteht.
Stallbauinteressierten ist deshalb unbedingt zu empfehlen, möglichst zeitig, d. h. spätestens mit Planungsbeginn, Kontakt mit dem Berater aufzunehmen. Da viele Betriebe aufgrund des Investitionsförderstopps mit dem Projekt auf die nächste Förderperiode warten werden, kann gerade diese „Übergangszeit“ für detaillierte Beratung und Betriebskonzeptausarbeitung genützt werden und bei bereits begonnener Planungsarbeit nachgeschärft werden.