Burnout: Ausgebrannt am Bauernhof
Es ist ein strahlend sonniger Tag im Salzburger Land. Christiane Oitner von Lebensqualität Bauernhof sitzt in der Küche von Herrn und Frau K. und isst Kuchen. Die Szene wirkt gemütlich, das Thema selbst ist tiefgreifend und geht unter die Haut.
Christiane Oitner (LQB): Vor Kurzem trat in der Fernsehsendung „Stöckl live“ der Wutbauer Christian Bachler auf. Er sprach über seine Überlastungssituation und motivierte Betroffene: „Leute, rührt euch. Ihr seid nicht alleine!“ Was ist dein Zugang zum Thema Überlastung?
Herr K.: Ich habe 2005 mit meiner Frau den elterlichen Hof übernommen. Wir betreiben eine Milchwirtschaft in Salzburg. Der Betrieb war anfangs arbeitsintensiv und hat viel tägliche Arbeitszeit in Anspruch genommen. Da wussten wir schon, dass wir etwas ändern müssen. Im Jahr 2010 kamen dann die ersten Symptome eines Burnouts bei mir: Ich konnte nicht mehr schlafen und war oft im Jahr krank. Rückblickend erkennt man die Warnzeichen, aber der Prozess an sich ist schleichend – man merkt es kaum.
Wie ist es in deinem Fall weitergegangen?
Zuerst musste ich meine Ehrenämter und die Vertretungsarbeit aufgeben. Wenn dort bei Sitzungen diskutiert wurde, ging die Sitzung bei mir zuhause im Kopf weiter. Es waren nicht so wichtige Sachen, die besprochen wurden, aber es wurde eben gestritten und ich konnte stundenlang nicht schlafen.
Was war in dieser Situation schwierig für dich?
Für Außenstehende ist es schwer zu verstehen, dass ich mal eine Woche nicht erreichbar bin. Heutzutage wird aber erwartet, dass man immer erreichbar ist. Sie fragen sich dann: „Was ist mit dem? Er hebt nicht ab und ruft nicht mal zurück.“ Da habe ich mich bewusst zurückgezogen, das war eine schwierige Zeit. Von damaligen Freunden ist nur eine Handvoll übergeblieben. Aber dafür haben sich auch neue Türen aufgetan.
Was meinst du mit neuen Türen?
Wir haben ein befreundetes Ehepaar, mit dem wir gerne wandern gehen. Sie kennen meine Situation und wenn es bei mir mal nicht geht, gehen sie eben alleine wandern. Das ist unkompliziert und nimmt mir den Druck, mitgehen zu müssen. Auch bei einem Stammtisch bin ich dabei. Dort kann ich hingehen oder nicht. Das ist sehr ungezwungen.
Wie hast du die Reaktionen auf deine Erkrankung wahrgenommen?
Die Krankheit ist schwierig zu verstehen, wenn man noch nie damit zu tun hatte. Wenn sich jemand einen Arm bricht, sieht das jeder. Da ist eine Betriebshilfe selbstverständlich. Bei psychischen oder auch familiären Problemen ist das anders – sie sind unsichtbar und damit viel schwerer zu begreifen. Burnout an sich ist ein extremes Tabuthema. Als Betroffener kriegt man es aber sehr wohl mit, wenn die anderen Bauern spotten: „Der braucht einen Helfer zum Güllefahren!“ Es herrscht eine Gesprächskultur unter den Bauern, die weit unter der Gürtellinie ist. Die Diskussion verändert sich aber langsam, weil fast in jedem Ort schon irgendwer wen kennt, der erkrankt ist. Von meiner Familie bekomme ich großen Rückhalt, vor allem von meiner tollen Frau, meinen wunderbaren Kindern. Mit den Kindern gehen wir möglichst offen mit dem Thema um. Es ist aber sehr schwierig für mich, wenn meine Kinder mit mir spielen wollen und ich kann einfach nicht. Das verschlimmert meine Situation dann noch zusätzlich.
Mit welchen Symptomen hast du heute noch zu kämpfen?
Ich habe keine Ausdauer mehr, obwohl ich noch jung bin. Die Kraft läuft mir davon – das kann ganz spontan passieren, wenn ich gerade arbeite. Dann bekomme ich Schüttelfrost, schwitze. Es fühlt sich an, als ob mir meine Kraft über die Füße davonläuft, wie bei einem Auto, dem der Sprit ausgeht – man weiß, man kommt noch ein Stück, dann fängt es zu stottern an und dann stehst du. Gefühlsmäßig ist das für mich ganz schrecklich, weil ich weiß, ich kann nichts dagegen tun. Dann liege ich im Bett und komme nicht mehr heraus. Es fehlt mir an körperlicher Kraft und auch an innerem Antrieb. Das geht bis hin zu einem Gefühl wie gelähmt zu sein. Auch Stimmungsschwankungen bis hin zu Wutausbrüchen mit Schreien und Schimpfen sind möglich.
Hast du einen Weg gefunden, wie du mit solchen Situationen umgehen kannst?
Ich habe es mit Medikamenten versucht. Diese waren entweder zu niedrig dosiert oder bei Erhöhung der Dosis gab es Nebenwirkungen. Es ist wichtig, dass es solche Medikamente gibt, und sie helfen bestimmt oft. Momentan probiere ich alternative Wege, aber der Gang zu einem Arzt muss sein. Ganz wichtig ist mir die Gesprächstherapie. Ich gehe regelmäßig zu meinem Psychotherapeuten. Bei dem sind einige Bauern in Behandlung – meine Erkrankung und generell die Arbeitsüberlastung bei Bauern ist keine Seltenheit!
Frau K., was hilft dir, um mit der Situation umzugehen?
Frau K.: Meine Kinder sind meine größte Kraftquelle. Außerdem habe ich an der dreiwöchigen SVS-Gesundheitswoche „Frauen in besonderen Situationen“ teilgenommen. Dort habe ich eine Vertraute gefunden, der es ähnlich geht. Wir haben noch immer Kontakt und stärken uns gegenseitig.
Was würdest du Betroffenen empfehlen, die selbst erste Anzeichen bemerken?
Herr K.: Das Wichtigste ist jemand zum Reden. Egal, ob es der beste Freund oder ein Therapeut ist, jemand der sich Zeit nimmt und mich versteht. Wenn jemand sagt: „Ich kann nicht mehr!“, dann ist Feuer am Dach. Dann sollte man unbedingt in eine Klinik gehen. Ich war selbst schon öfter auf Reha, zum Beispiel in Bad Hall, und die Betreuung dort war wirklich super. Die Hürden, um Hilfe anzunehmen, sollten möglichst klein gehalten werden. Die SVS und die LK sind da sicher wichtige Anlaufstellen, aber auch die soziale Betriebshilfe. Und ansonsten spielen natürlich Ernährung, Bewegung und die seelische Gesundheit eine Rolle. Auch hinspüren und Sachen aufgeben, die viel Kraft kosten, aber auch nicht von allem abkapseln – da muss jeder seine persönliche Balance finden.
Möchtest du den Leserinnen und Lesern am Schluss noch etwas mitgeben?
Diese Krankheit ist ein langer Prozess. Bei mir dauert sie jetzt schon fast zehn Jahre an und es wird langsam besser. Ich möchte meinen Berufskollegen empfehlen, ihre Arbeitskraft realistisch einzuschätzen. So ein neuer, toller Stall ist schnell gebaut. Wenn dann aber nur ein bisschen was zu spießen anfängt, kannst du nicht mehr zurück, du musst ihn weiter abzahlen und arbeiten.
Christiane Oitner (LQB): Vor Kurzem trat in der Fernsehsendung „Stöckl live“ der Wutbauer Christian Bachler auf. Er sprach über seine Überlastungssituation und motivierte Betroffene: „Leute, rührt euch. Ihr seid nicht alleine!“ Was ist dein Zugang zum Thema Überlastung?
Herr K.: Ich habe 2005 mit meiner Frau den elterlichen Hof übernommen. Wir betreiben eine Milchwirtschaft in Salzburg. Der Betrieb war anfangs arbeitsintensiv und hat viel tägliche Arbeitszeit in Anspruch genommen. Da wussten wir schon, dass wir etwas ändern müssen. Im Jahr 2010 kamen dann die ersten Symptome eines Burnouts bei mir: Ich konnte nicht mehr schlafen und war oft im Jahr krank. Rückblickend erkennt man die Warnzeichen, aber der Prozess an sich ist schleichend – man merkt es kaum.
Wie ist es in deinem Fall weitergegangen?
Zuerst musste ich meine Ehrenämter und die Vertretungsarbeit aufgeben. Wenn dort bei Sitzungen diskutiert wurde, ging die Sitzung bei mir zuhause im Kopf weiter. Es waren nicht so wichtige Sachen, die besprochen wurden, aber es wurde eben gestritten und ich konnte stundenlang nicht schlafen.
Was war in dieser Situation schwierig für dich?
Für Außenstehende ist es schwer zu verstehen, dass ich mal eine Woche nicht erreichbar bin. Heutzutage wird aber erwartet, dass man immer erreichbar ist. Sie fragen sich dann: „Was ist mit dem? Er hebt nicht ab und ruft nicht mal zurück.“ Da habe ich mich bewusst zurückgezogen, das war eine schwierige Zeit. Von damaligen Freunden ist nur eine Handvoll übergeblieben. Aber dafür haben sich auch neue Türen aufgetan.
Was meinst du mit neuen Türen?
Wir haben ein befreundetes Ehepaar, mit dem wir gerne wandern gehen. Sie kennen meine Situation und wenn es bei mir mal nicht geht, gehen sie eben alleine wandern. Das ist unkompliziert und nimmt mir den Druck, mitgehen zu müssen. Auch bei einem Stammtisch bin ich dabei. Dort kann ich hingehen oder nicht. Das ist sehr ungezwungen.
Wie hast du die Reaktionen auf deine Erkrankung wahrgenommen?
Die Krankheit ist schwierig zu verstehen, wenn man noch nie damit zu tun hatte. Wenn sich jemand einen Arm bricht, sieht das jeder. Da ist eine Betriebshilfe selbstverständlich. Bei psychischen oder auch familiären Problemen ist das anders – sie sind unsichtbar und damit viel schwerer zu begreifen. Burnout an sich ist ein extremes Tabuthema. Als Betroffener kriegt man es aber sehr wohl mit, wenn die anderen Bauern spotten: „Der braucht einen Helfer zum Güllefahren!“ Es herrscht eine Gesprächskultur unter den Bauern, die weit unter der Gürtellinie ist. Die Diskussion verändert sich aber langsam, weil fast in jedem Ort schon irgendwer wen kennt, der erkrankt ist. Von meiner Familie bekomme ich großen Rückhalt, vor allem von meiner tollen Frau, meinen wunderbaren Kindern. Mit den Kindern gehen wir möglichst offen mit dem Thema um. Es ist aber sehr schwierig für mich, wenn meine Kinder mit mir spielen wollen und ich kann einfach nicht. Das verschlimmert meine Situation dann noch zusätzlich.
Mit welchen Symptomen hast du heute noch zu kämpfen?
Ich habe keine Ausdauer mehr, obwohl ich noch jung bin. Die Kraft läuft mir davon – das kann ganz spontan passieren, wenn ich gerade arbeite. Dann bekomme ich Schüttelfrost, schwitze. Es fühlt sich an, als ob mir meine Kraft über die Füße davonläuft, wie bei einem Auto, dem der Sprit ausgeht – man weiß, man kommt noch ein Stück, dann fängt es zu stottern an und dann stehst du. Gefühlsmäßig ist das für mich ganz schrecklich, weil ich weiß, ich kann nichts dagegen tun. Dann liege ich im Bett und komme nicht mehr heraus. Es fehlt mir an körperlicher Kraft und auch an innerem Antrieb. Das geht bis hin zu einem Gefühl wie gelähmt zu sein. Auch Stimmungsschwankungen bis hin zu Wutausbrüchen mit Schreien und Schimpfen sind möglich.
Hast du einen Weg gefunden, wie du mit solchen Situationen umgehen kannst?
Ich habe es mit Medikamenten versucht. Diese waren entweder zu niedrig dosiert oder bei Erhöhung der Dosis gab es Nebenwirkungen. Es ist wichtig, dass es solche Medikamente gibt, und sie helfen bestimmt oft. Momentan probiere ich alternative Wege, aber der Gang zu einem Arzt muss sein. Ganz wichtig ist mir die Gesprächstherapie. Ich gehe regelmäßig zu meinem Psychotherapeuten. Bei dem sind einige Bauern in Behandlung – meine Erkrankung und generell die Arbeitsüberlastung bei Bauern ist keine Seltenheit!
Frau K., was hilft dir, um mit der Situation umzugehen?
Frau K.: Meine Kinder sind meine größte Kraftquelle. Außerdem habe ich an der dreiwöchigen SVS-Gesundheitswoche „Frauen in besonderen Situationen“ teilgenommen. Dort habe ich eine Vertraute gefunden, der es ähnlich geht. Wir haben noch immer Kontakt und stärken uns gegenseitig.
Was würdest du Betroffenen empfehlen, die selbst erste Anzeichen bemerken?
Herr K.: Das Wichtigste ist jemand zum Reden. Egal, ob es der beste Freund oder ein Therapeut ist, jemand der sich Zeit nimmt und mich versteht. Wenn jemand sagt: „Ich kann nicht mehr!“, dann ist Feuer am Dach. Dann sollte man unbedingt in eine Klinik gehen. Ich war selbst schon öfter auf Reha, zum Beispiel in Bad Hall, und die Betreuung dort war wirklich super. Die Hürden, um Hilfe anzunehmen, sollten möglichst klein gehalten werden. Die SVS und die LK sind da sicher wichtige Anlaufstellen, aber auch die soziale Betriebshilfe. Und ansonsten spielen natürlich Ernährung, Bewegung und die seelische Gesundheit eine Rolle. Auch hinspüren und Sachen aufgeben, die viel Kraft kosten, aber auch nicht von allem abkapseln – da muss jeder seine persönliche Balance finden.
Möchtest du den Leserinnen und Lesern am Schluss noch etwas mitgeben?
Diese Krankheit ist ein langer Prozess. Bei mir dauert sie jetzt schon fast zehn Jahre an und es wird langsam besser. Ich möchte meinen Berufskollegen empfehlen, ihre Arbeitskraft realistisch einzuschätzen. So ein neuer, toller Stall ist schnell gebaut. Wenn dann aber nur ein bisschen was zu spießen anfängt, kannst du nicht mehr zurück, du musst ihn weiter abzahlen und arbeiten.
Bäuerliches Sorgentelefon
Kleßheimer Straße 8
5071 Wals-Siezenheim
Tel. 0810/676810
Montag bis Freitag von 8.30 bis 12.30 Uhr (ausgenommen an gesetzlichen Feiertagen)