Als die „Schieferln“ Wäsche mangelten
Eine geschichtsträchtige Stadt
Man schreibt das Jahr 1962. Laufen ist Sitz der Kreisverwaltungsbehörde des nach ihm benannten Landkreises, der im Wesentlichen den alten Rupertiwinkel umfasst. Obwohl Ämter und Behörden sowie bedeutende Geschäfte sie zu einer Stadt mit guter Frequenz von außen machen und insbesondere aus dem nördlichen Landkreis und dem benachbarten Oberndorf die Eltern ihre Kinder gerne in den Handel und das Gewerbe zur Lehre nach Laufen schicken, wo auch gerne eingekauft wird, gibt sich die Stadt sehr geschichtsträchtig, als lebe man vor dem Ersten Weltkrieg. Ein Beweis: In dieser Zeit hatte der bedeutende bayerische Schriftsteller Georg Lohmeier die Idee, seine später legendär gewordene Fernsehserie „Königlich Bayerisches Amtsgericht“ hier und in Tittmoning spielen zu lassen. Für die Außenaufnahmen hielt er Laufen für rückwärtsgewandt genug, dass sie für die Jahre 1911 und 1912 glaubhaft war.
Die Geschwister Schiefer
Zur Bewahrung des heimatlichen Liedgutes trugen auch die Geschwister Josefa und Berta Schiefer bei, die zu dieser Zeit ihre großen Auftritte auf den Bühnen, im Rundfunk und auch im aufkommenden Fernsehen hatten. Sie schöpften aus einem riesigen Repertoire von Erzählungen aus alten Zeiten, von ihnen gesammelten Volksliedern, Bräuchen und Dialektausdrücken. Sie waren auch weitum im Salzburgischen und im Innviertel mit anderen Volksmusikanten wie etwa Tobi Reiser bekannt.
Aufgewachsen in ärmlichen Verhältnissen
Nun, am 8. Mai, wäre Josefa Schiefer, die Ältere der beiden Schwestern, 130 Jahre alt geworden. Ihre Schwester war um zwölf Jahre jünger. Beide wuchsen in ärmlichen Verhältnissen auf und beide mussten, kaum von der Schule entlassen, wesentlich für den Lebensunterhalt der Familie beitragen. Josefa lernte Harmonium, Zither und Laute. Josefa war nach der Wegheirat der Brüder zuhause, um den schwerkranken Vater zu pflegen und die fast blinde Mutter zu betreuen, während Berta beim Fotografenmeister Schröck das Fotografenhandwerk erlernte. Die ältere Schwester gab Musikunterricht, sodass beide, nun allein gestellt, über die Runden kamen. Sie betrieben in ihrem Wohnhaus eine Heißmangel, das ist ein Gerät mit Walzen zum Bügeln von Wäsche, vorrangig von Bettwäsche.
Altes Liedgut für die Nachwelt erhalten
Angespornt vom Kurat-Kanonikat-Provisor Otto Heichele vom Stift, machten sie sich auf den Weg, um zu sammeln. Ihnen ist es zu verdanken, dass vieles, was damals nicht aufgeschrieben war, sondern nur über das Hören weitergetragen wurde, aufgezeichnet und für die Nachwelt bewahrt wurde. Im weiten Umkreis befragten sie Pfarrer, Mesner und so manches alte „Ahnl“ nach dem, wie es früher gewesen war. Redensarten, Lieder, Brauchtümliches, Volksgebete, Drischlspiele und Reime wurden aufgezeichnet und gesammelt. Aber auch alte Kräuter- und Salbenweisheiten interessierten sie. So tat sich von Teisendorf über Waging bis in den Flachgau und ins Innviertel und auch weiter ein reichhaltiges Feld auf zu einer Zeit, da noch viel Wissen vorhanden war.
Bayerischer Rundfunk entdeckte die Sängerinnen
Aber die Geschwister Schiefer waren nicht nur stille Sammlerinnen, ja sie trugen auch das Ihre dazu bei, um es wieder hinaus zu bringen in die Welt. Dabei wurde 1930 kein Geringerer als der „Kiem Pauli“ auf sie aufmerksam. In diesem Jahr standen sie beim ersten Singabend mit dem Kiem Pauli auf der Bühne der „Alten Post“ in der Rottmayrstraße. Daraus wurde eine Freundschaft fürs Leben mit dem Pauli. Längst hatte nach dem Zweiten Weltkrieg der Bayerische Rundfunk die Sängerinnen entdeckt, die über Bayern hinaus große Bekanntheit hatten. Dies hatte zur Folge, dass sie zu vielen Veranstaltungen eingeladen wurden, dort sangen und Geschichten erzählten. Und trotzdem waren sie bescheiden geblieben.
Gedenktafel in Laufen
Josefa starb 1980, Berta ging ihr 1979 voraus. Am Wohnhaus in Laufen (Wagnergasse) wurde eine Gedenktafel angebracht. Im Heimatort Laufen gibt es die Geschwister-Schiefer-Straße, die nach ihnen benannt ist.