Klimawandel schädigt die Bergwiesen
Um die Effekte des Klimawandels unter realitätsnahen Bedingungen nachzustellen, nutzten die Forschenden sogenannte Boden-Pflanze-Mesokosmen. Diese Miniaturökosysteme bestehen aus Modulen, die Bodenproben enthalten. Indem die Podenproben von höher gelegenen, kühleren Standorten zu niedriger gelegenen, wärmeren Standorten verlagert wurden, simulierten die Wissenschafter den Klimawandel. Dadurch bildeten sie eine Erwärmung von bis zu 3 Grad Celsius nach. „Die detaillierte Untersuchung der Bodenreaktionen auf Klimaveränderungen hilft uns, die langfristigen Auswirkungen auf alpine Graslandökosysteme besser zu verstehen“, sagt die Bodenforscherin Dr. Noelia Garcia-Franco. Die Untersuchung fand auf verschiedenen Flächen in den bayerischen Landkreisen Weilheim-Schongau und Garmisch-Partenkirchen statt. Die Mesokosmen wurden je zur Hälfte intensiv oder extensiv bewirtschaftet, das heißt, sie wurden beispielsweise unterschiedlich häufig gemäht und mit Gülle gedüngt. Nach vier Jahren wurden Bodenproben entnommen.
Die Ergebnisse zeigen: Durch die Temperaturerhöhung von 2 und 3 Grad ging der Humusgehalt rapide und stark zurück, wobei der Rückgang bei extensivem Management noch stärker ausgeprägt war. Unter extensiver Bewirtschaftung verlor der Boden bei 3 Grad Temperaturerhöhung 22 % an Humus, 14 % bei 2 Grad.
Gülledüngung gegen Humusabbau
Bei intensiver Bewirtschaftung betrug der Humusverlust unter diesen Bedingungen 11 %. Die intensivere organische Düngung konnte den Verlust organischer Masse teilweise kompensieren. Insgesamt beeinträchtigt die erhöhte Temperatur die Bodenstruktur erheblich. Die Erdklumpen, aus denen der Boden besteht, werden destabilisiert und als Folge wird die organische Bodensubstanz immer stärker abgebaut. „Die Größe der Bodenklumpen könnte ein Frühwarnsignal für den drohenden Verlust von Humus und Bodenstruktur sein“, sagt Garcia-Franco. Ebenso beobachteten die Forschenden, dass die Bodenvorräte an Stickstoff zurückgingen.
Insbesondere in zentral- und nordeuropäischen Bergregionen schreitet der Klimawandel schneller voran als in anderen Gebieten. So stieg die durchschnittliche Jahrestemperatur in den europäischen Alpen seit den 1980er-Jahren um zwei Grad. Grasland im Alpen- und Voralpenraum ist eines der größten Reservoirs von bodengebundenem organischem Kohlenstoff in Zentraleuropa. Höhere Temperaturen steigern jedoch die Aktivität der Mikroorganismen im Boden, insbesondere in den Wintermonaten. Humus wird dadurch schneller abgebaut und als CO2 freigesetzt. Bergwiesen erfüllen wichtige ökonomische und ökologische Funktionen: Sie produzieren große Mengen hochwertiges Tierfutter und spielen eine wesentliche Rolle dabei, Wasser und Nährstoffe zu speichern sowie eine hohe Vielfalt an Pflanzen und Bodenorganismen zu erhalten.
Warnung vor hohen Ernteverlusten
Gesunde Pflanzen gewährleisten einen hohen Selbstversorgungsgrad mit hochwertigen Lebensmitteln, eine effiziente und wirtschaftliche Produktion der Betriebe auf den bestehenden Agrarflächen sowie den Schutz von Umwelt, Boden und Artenvielfalt. „Dieser Nutzen wird aber aufgrund unterschiedlicher Faktoren zunehmend gefährdet“, warnt der Obmann der IndustrieGruppe Pflanzenschutz (IGP), Christian Stockmar. In der Landwirtschaft führen Wirkstoffverluste und sich ausbreitende Schaderreger laut FAO dazu, dass jährlich bis zu 40 Prozent der Ernten durch Pflanzenschädlinge und -krankheiten verloren gehen. Der Klimawandel und seine Folgen verschärfen die Situation zusätzlich. Gehen weitere Wirkstoffe verloren und gibt es keine Alternativen, erreichen Kulturpflanzen nicht ihr volles Potenzial und können ihre Leistungen für die Ökosysteme und die Versorgung mit Lebensmitteln nicht erbringen. „Daher braucht es ein agrarpolitisches Umdenken weg von einer input- und hin zu einer output-orientierten und ganzheitlichen Debatte“, so Stockmar. Er nennt als Beispiel die Zuckerrübe: Der Verlust von Wirkstoffen führt zu teils dramatischen Ernteverlusten und -ausfällen.