Die Wegefreiheit ist nicht grenzenlos
Das Tiroler "Kuhurteil" hat in den vergangenen Wochen hohe Wellen geschlagen. Die alpinen Vereine sahen bereits das Ende der freien Betretbarkeit der Natur herankommen, verunsicherte Almbauern bangen um ihre Existenz und greifen zur Selbsthilfe, indem sie den Zugang zu ihren bewirtschafteten Almen einschränken, und die Tourismuswirtschaft fürchtet ein Ausbleiben der Gäste, wenn der Salzburger Almsommer sprichwörtlich ins Wasser fällt. Man hat den Eindruck, dass ein Großteil der Bevölkerung hinter den Almbauern steht und Verständnis für die Errichtung von Zäunen hat. Bei näherer Betrachtung fällt allerdings auf, dass sich kaum jemand den freien Zugang zur Natur versperren lässt, schon gar nicht der Einheimische. Beim jüngst von Bundesministerin Elisabeth Köstinger einberufenen Almgipfel kam deutlich zutage, dass sich die alpinen Vereine keinesfalls das gesetzlich verankerte Recht auf den freien Zugang zur Natur einschränken lassen wollen, so wie es deren Präsident Schwarzenberger-Dunkel betonte.
Rechtsgrundlagen regeln freien Zugang
Nun ist es in der Tat so, dass es in Österreich seit bald 100 Jahren diverse Rechtsgrundlagen gibt, welche den freien Zugang in die Natur regeln. Diese Normen sind in einer Zeit entstanden, in welcher der Alpintourismus in unseren Bergen stark zugenommen hat. In Gesetzgebung und Vollziehung liegt hier die Kompetenz bei den Ländern. So gibt es in Kärnten, der Steiermark und Salzburg Landesgesetze zur Wegefreiheit im Bergland. In anderen Bundesländern finden sich Regelungen in den Tourismusgesetzen, in Vorarlberg im Landesstraßengesetz.
Die wenigsten Naturbesucher kennen die rechtliche Situation im Detail. So heißt es im Salzburger Gesetz über die Wegefreiheit im Bergland, dass "bestehende Wege (öffentliche Wege, öffentliche Interessentenwege, Privatwege) im Bergland, welche dem Touristen- oder Fremdenverkehr zur Verbindung der Talorte mit den Höhen oder als Übergänge, Pass- und Verbindungswege bereits dienen, für diesen Verkehr nicht gesperrt werden dürfen". Weiters müssen Privatwege, welche für den Touristen- oder Fremdenverkehr unentbehrlich oder zu dessen Förderung besonders wichtig sind, diesem Verkehr gegen angemessene Entschädigung geöffnet werden.
Wegefreiheit hat auch ihre Grenzen
Allerdings wird diese vermeintlich völlige Wegefreiheit räumlich eingeschränkt. So ist nach dem zitierten Gesetz der Touristenverkehr im Weide- und Alpgebiete oberhalb der oberen Waldgrenze nur insoweit gestattet, als die Alp- und Weidewirtschaft dadurch nicht geschädigt wird. Dies bedarf aber einer Anordnung der Agrarbehörde. Was das Alp- und Weidegebiet unterhalb der oberen Waldgrenze betrifft, darf dieses nur auf allgemein zugänglichen Wegen betreten werden. Bezüglich Ödland sieht das Gesetz vor, dass dieses für den Touristenverkehr frei ist und von jedermann betreten werden kann, es sei denn, es ist in Verbauung oder Kultivierung gezogen. Der Almbewirtschafter hat also die gesetzliche Rückendeckung, Wanderer, welche querfeldein auf Almfutterflächen herumgehen, auf die vorhandenen Steige oder Wege zu verweisen. In der Praxis ist dies jedoch kaum möglich, zudem erntet man beim Hinweis auf die Rechtslage oft nur Unverständnis und Ignoranz.
Für den Grundeigentümer stellt die Benützung von Wegen oder Steigen jedenfalls einen Eingriff in das Eigentumsrecht dar, welches allerdings einer Duldungsverpflichtung, wie beim freien Betretungsrecht des Waldes, gleichkommt. Das Salzburger Gesetz sieht sogar vor, dass der zur Anlage von Straßen, Wegen und Steigen im Bergland erforderliche Grund enteignet werden kann oder zur Anlage erforderliches Material aus fremdem Grund gewonnen werden darf. Dem Grundeigentümer bleibt zwar ein Entschädigungsanspruch, gegen die Errichtung solcher Wege kann er sich jedoch nicht wehren.
Beunruhigung des Viehs ist strafbar
Interessant ist, dass das zitierte Landesgesetz über die Wegefreiheit unter anderem auch regelt, dass eine Verwaltungsübertretung vorliegt, wenn jemand das Vieh mutwillig beunruhigt oder etwa Zauntore nicht schließt. Ob diesbezüglich jemals eine Geldstrafe oder gar Arrest verhängt wurde, ist dem Verfasser dieser Zeilen nicht bekannt.
Tatsache ist, dass der Aufenthalt in der freien Natur, insbesondere auf unseren heimischen Almen und Bergen, im Trend liegt und die Zahl der erholungssuchenden Bergsteiger und Wanderer, aber auch der Paragleiter und Radfahrer enorm zunimmt. Nutzungskonflikte zwischen den Naturnutzern, insbesondere aber auch mit Weidevieh, sind oftmals vorprogrammiert. Hier gilt es durch gezielte Information über die Rechtslage sowie über die Verhaltensregeln in freier Natur mehr denn je aufzuklären, will man Konflikte vermeiden und Unfälle verhindern. Ein vernünftiges Nebeneinander der unterschiedlichen Naturnutzer erfordert künftig aber auch mehr denn je gezielte Besucherlenkungsmaßnahmen.