Der Wolf bedroht die Artenvielfalt
Die extensiv bewirtschafteten Kulturlandschaften Europas mit ihren Wiesen und Weiden beherbergen einen gewaltigen Artenreichtum und stellen eine weltweite Besonderheit dar. Eine Nutzungsauflassung führe daher zu einer zunehmenden Gefährdung seltener und geschützter Arten, warnen jetzt die Initianten der „Marienfelder Erklärung“. Ihre Forderung: Es brauche dringend ein regional differenziertes, aktives Wolfsmanagement und die Rückstufung des Wolfs von „streng geschützt“ zu „geschützt“. Dies diene auch der Tierart Wolf, die auf Dauer nur akzeptiert werde, wenn die Konflikte gelöst würden, so die Gruppe aus Naturschützern und Ökologen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz.
Bedrohte Hotspots der Artenvielfalt
Extensive Weide- und Wiesenlandschaften sind Hotspots der Artenvielfalt. Von herausragender Bedeutung sind die Kulturlandschaften der Alpen mit den vielfältigen Almen und strukturreichen Hanglagen. Diese Landschaften sind das Ergebnis einer viele Jahrhunderte alten bäuerlichen Nutzung und damit ein lebendes Kulturgut. Ohne Beweidung und Wiesenmahd würde fast überall dichter Wald dominieren. Zahlreiche seltene und gefährdete Tier- und Pflanzenarten sind jedoch auf die Offenhaltung durch die landwirtschaftliche Nutzung angewiesen.
Die Wölfe breiten sich rasant aus und sie lernen, Herdenschutzmaßnahmen zu überwinden. Wölfe gelten gemäß der Weltnaturschutzorganisation IUCN in Europa bereits seit 2007 nicht mehr als gefährdet, sind aber nach der Berner Konvention noch immer streng geschützt. „Im extensiv genutzten Offenland leben Pflanzen- und Tierarten, die den gleich hohen Schutzstatus wie der Wolf besitzen, im Gegensatz zum Wolf jedoch im Rückgang begriffen und gefährdet sind. Deren Lebensräume lassen sich mit dauernder Wolfspräsenz nicht erhalten“, heißt es in einer Aussendung der Initiative.
Ko-Existenz hat es bei uns nie gegeben
In der Kulturgeschichte Mitteleuropas gebe es keine Tradition von passiven Herdenschutzmaßnahmen, Raubtiere und vor allem Wölfe seien zu allen Zeiten scharf verfolgt worden. Die vielbeschworene „friedliche Ko-Existenz“ von Wolf und Weidevieh habe es nie gegeben. Der vielzitierte Spruch, „man muss erst wieder lernen, mit den Wölfen zu leben“ sei deshalb unsinnig und irreführend.
Zäune sind keine Patentlösung, um die Weidewirtschaft trotz der Anwesenheit von Wölfen aufrechtzuerhalten. Sie sind ohne gleichzeitige Bejagung auch unter günstigen Bedingungen nie hinreichend wolfssicher. Im Gebirge sind sie technisch ohnehin nur in Ausnahmefällen umsetzbar. Es müssten ganze Landschaften mit elektrischen Wolfszäunen zugestellt werden. Durch Strangulieren und Stromschläge verendete Wildtiere und versperrte Wanderwege wären unausweichliche Begleiterscheinungen. Wenn Herdenschutzhunde eingesetzt werden, muss jede noch so kleine Viehherde von einer ganzen Meute von Herdenschutzhunden bewacht werden. In den von Herdenschutzhunden bewachten Flächen wären Wildtiere wie Hasen und bodenbrütende Vögel bedroht.
Die mitteleuropäischen Wolfsbestände sind untereinander verbunden und Teil einer eurasischen Großpopulation, die sich bis nach Russland erstreckt. Wölfe stellen an den Lebensraum keine spezifischen Ansprüche und sie können sich praktisch überall niederlassen, wo genug Nahrung vorhanden ist. Eine flächendeckende Besiedlung ist aus Gründen der Arterhaltung nicht vonnöten. Fraglos sind die Kriterien für den sogenannten günstigen Erhaltungszustand auf Populationsebene erfüllt und die Wolfspopulation ist langfristig überlebensfähig.
Differenziertes, aktives Wolfsmanagement
Europa brauche schnellstens ein räumlich differenziertes, aktives Wolfsmanagement, welches an das jeweilige gesamtökologische und gesellschaftliche Umfeld angepasst sei. Grundlage hierfür soll eine fachlich fundierte, transparent hergeleitete wildökologische Raumplanung sein. Wo aus technischen Gründen kein Herdenschutz durchgeführt werden kann und wo wichtige naturschutzfachliche Argumente gegen die Anwesenheit von Wölfen sprechen, sollen Weideschutzgebiete eingerichtet werden. Hier geht der Schutz der Kulturlandschaft über den Wolfsschutz. Außerhalb der Weideschutzgebiete ist ein permanentes Wolfsmanagement vonnöten, welches eine Bestandsregulation und die Durchsetzung einer Roten Linie umfasst. Bestandesgröße, regionale Dichten und Rudelgrößen werden geregelt, opportunes Verhalten wird definiert und wenn die Rote Linie überschritten wird, soll postwendend mit Entnahme reagiert werden.