Beeindruckendes Herzensprojekt
Talent und Ehrgeiz hat Christine Eberl bereits als Lehrling bewiesen. In ihrer Werkstatt hängt ein Foto von der Ehrung, als sie im dritten Lehrjahr Landesmeisterin geworden ist. Es folgten weitere Auszeichnungen, welche die Wände schmücken. Darunter auch die Urkunde von der Anerkennung des Überrocks als immaterielles Kulturerbe der Unesco. Die Leogangerin hat dafür die Bewerbung eingereicht, damit ist ihr eine sensationelle Pionierleistung gelungen.
Nach der Verleihung mit einem großen Festakt im Jahr 2021 hat sie gleich das nächste Projekt in Angriff genommen
Die Schneidermeisterin ist auf die Herstellung und Restaurierung von Steppmieder und Garnierspenzer, dem sogenannten Überrock, spezialisiert. Über diese Festtracht hat sie mit Unterstützung eines kompetenten Teams ein informatives und schönes Buch geschrieben
„Für die Bewerbung bei der Unesco habe ich festgestellt, dass es keine schriftlichen Aufzeichnungen zum Überrock gibt. Ich habe daher angefangen selber zu recherchieren. Dafür war ich in vielen Museen und habe mit alten Frauen gesprochen, die noch über großes Wissen verfügen. Das wird ja leider mit jeder Generation schwieriger“, schildert die 59-Jährige. Für das Buch wurden auch Votivsammlungen nach alten Abbildungen der Tracht untersucht.
Einen interessanten Teil widmet das Werk beeindruckenden Frauen, die die Tracht geprägt und lebendig gehalten haben. Produzentinnen kommen ebenso vor wie Trägerinnen, die Christine würdigen wollte. „Es ist eine Hommage an Generationen von Frauen, die das Handwerk beherrscht und sich diese kostbare Tracht geleistet haben.“
Interessante Geschichten
Sie hat etwa die Geschichte von Elise Oberlechner recherchiert, die trotz einer Behinderung an der linken Hand großes Talent beim Schneidern bewies. 1907 eröffnete sie eine Schneiderei in Saalfelden. Die bemerkenswerte Frau war so erfolgreich, dass sie bis zu acht Angestellte beschäftigen konnte und auch Lehrlinge ausbildete.
„Heute werden nur noch wenige Schneiderlehrlinge ausgebildet und sie lernen kaum noch, wie man einen Garnierspenzer anfertigt. Mir ist es wichtig, dass dieses Wissen nicht verloren geht, darum enthält das Buch nicht nur historische Erklärungen, sondern auch Anleitungen für einzelne Arbeitsschritte“, sagt die Trachtenexpertin. Die Herstellung von Spenzer und Mieder wird Schritt für Schritt erklärt, nicht nur als Text, sondern auch mit anschaulichen Bildern. Schmuck, Hut und Taschen werden ebenfalls ausführlich behandelt und mit vielen schönen Fotos dargestellt.
Im November konnte sie ihr gedrucktes Herzensprojekt dann der Öffentlichkeit präsentieren, das war ein großer Moment für die verheiratete Mutter von drei Kindern. „Die Anerkennung zum Kulturerbe hat einen Boom ausgelöst und seit das Buch erschienen ist, bekomme ich viele Anfragen zur Tracht. Ich bin fast so etwas wie eine ‚Trachtenkummernummer‘ geworden“, scherzt sie.
„Viele Frauen haben Gewänder geerbt, die sie jetzt restaurieren möchten. Das sind oft sehr emotionale Angelegenheiten. Es ist berührend, wenn eine Tracht ein Leben lang getragen und dann an die nächste Generation weitergegeben wird.“ Im Moment bessert sie für eine Kundin einen Überrock aus, in dem diese geheiratet hat und den sie heuer zu ihrer diamantenen Hochzeit anziehen wird.
Nähere Infos zum Buch und dem Team:
www.salzburger-tracht.at
www.salzburger-tracht.at