Auslaufstall: Die Kühe werden nur noch zum Melken angebunden
Weg mit der Anbindehaltung, her mit dem Laufstall! Das fordern immer mehr Österreicher und Österreicherinnen. Jedoch ist ein Umbau zu einem Laufstall vor allem für kleine Betriebe oft nicht möglich. Es fehlt teilweise der benötigte Platz oder die Kosten sind schlichtweg zu hoch. Jetzt könnte ein neuartiges Stallsystem eine Alternative darstellen: Der Auslaufstall.
Alle Elemente eines Laufstalles in den Auslauf geholt
Was zeichnet diesen aus? Der Auslaufstall teilt sich in zwei Bereiche: Einen Innenbereich mit Anbindehaltung sowie einen Auslauf. Das Besondere dabei ist, dass sich im Auslauf alle Elemente eines Laufstalles befinden. Es gibt Liegeboxen, einen Fressplatz, Tränken und eine Kratzbürste. Der Anbindestall wird nur kurzzeitig genutzt und dient lediglich zum Melken der Kühe, als Rückzugsort bei wetterbedingten Extremsituationen oder als Separationsbereich für kranke Tiere. Der Auslaufstall kombiniert somit Anbinde- und Laufstall in einem Stallsystem und kann für Betriebe mit kleinem Tierbestand eine gute bauliche Variante weg vom Anbinde- hin zum Laufstall sein.
Im Zuge des EIP-Projekts „Berg-Milchvieh“ mit dem Leadpartner Landwirtschaftskammer Österreich wurden einzelne Betriebe, die bereits einen Auslaufstall bewirtschaften, genauer unter die Lupe genommen. Einer dieser Betriebe wird von Familie Schlaffer vlg. Neuschl aus Gaal bei Knittelfeld geführt. Vor rund zehn Jahren haben die Milchviehhalter begonnen, den bestehenden Auslauf ihres Anbindestalles Schritt für Schritt zu erweitern und umzubauen.
Zunächst errichtete die Familie eine Außenfütterung, um den täglichen Arbeitsaufwand für die Futtervorlage zu reduzieren. „Wir füttern unseren Kühen jeden Tag frisches Gras. Im Anbindestall war das besonders kräfteraubend, da wir das schwere Gras händisch den Tieren vorlegen mussten. Mit der Außenfütterung können wir das Gras maschinell am Fressplatz ablegen und müssen es nur noch verteilen“, erklärt Betriebsleiter Reinhard Schlaffer.
Aufgrund der vereinfachten Betriebsabläufe und der verstärkten Nutzung des Auslaufes stockte die Familie schon bald die Zahl der Kühe auf zwölf auf. Infolgedessen mussten Schlaffers die Güllegrube erweitern. Das nutzten sie, um gleichzeitig den gesamten Auslauf zu vergrößern und zu befestigen. Am Schluss bauten die Landwirte noch Liegeboxen für ihre Kühe in den Auslauf. Über diesen errichteten sie außerdem ein Wirtschaftsgebäude, wo sie Maschinen abstellen und Stroh lagern können.
Kühe sind fast immer im Freien
Seitdem sind die Kühe fast ständig im Auslauf oder auf der Weide. „Wir binden die Kühe nur zum Melken am Anbindestand an. Auch in der Nacht sind sie draußen“, erklärt Reinhard Schlaffer. Bei extremen Wetterverhältnissen, wie starkem Schneefall oder Unwetter lässt er die Kühe allerdings im schützenden Anbindestall.
Im Schnitt sind die Kühe laut des Betriebsleiters 14 Tage im Jahr im Stall angebunden. Die Kälte im Winter macht den Tieren nichts aus. Selbst bei -10 bis -15°C sind sie draußen. „Wichtig ist allerdings, dass die Tränken beheizbar sind, damit das Wasser nicht einfriert“, hebt Schlaffer hervor. Er ergänzt außerdem, dass er die Kühe bei längeren Kälteperioden im Stall belässt, um die Körperwärme der Tiere zu nutzen. „Damit verhindern wir, dass im Stall die Wasserleitungen einfrieren“, so der Landwirt. Mehr Stress für die Tiere verursacht hingegen die Hitze im Sommer. Höhere Temperaturen machen den Kühen bereits ab 20°C zu schaffen. Die überdachten Liegeboxen bieten hierbei den nötigen Schatten.
Die Arbeitszeit ist im Auslaufstall gesunken
Durch den Umbau hat sich vieles vereinfacht, sodass die tägliche Arbeitszeit der Familie Schlaffer gesunken ist. Beispielsweise fällt das tägliche Einstreuen der Liegeflächen im Anbindestall weg. Das spart Arbeitszeit und Einstreumaterial. Die Entmistung im Auslauf erledigt Reinhard Schlaffer mit seinem Mähtrac und einem darauf montierten Gummischieber. Damit schiebt er den Kot der Kühe nach Bedarf auf den Mistplatz, sodass der Auslauf stets sauber bleibt. „Allerdings steigen bei der großen und befestigten Auslauffläche auch die Emissionen, zum Beispiel von Ammoniak. Eine Fütterung von Heu und Gras im Stallgebäude statt im ausgestalteten Auslauf könnte diese reduzieren. Dafür wären allerdings große bauliche Veränderungen notwendig“, erklärt Projektleiterin Anna Herzog, LK Österreich.
Ein weiterer Vorteil des möblierten Auslaufes ist, dass Schlaffers flexibel auf das Wetter und die daraus resultierende Bodenbeschaffenheit der Weiden reagieren können. „An Regentagen ist der Boden weich. Dann lassen wir die Kühe im befestigten Auslauf, um zu verhindern, dass diese die Weide auf den steilen Hängen kaputt treten“, erklärt Reinhard Schlaffer.
Geringes Risiko bei Investitionen
Innerhalb von fünf Jahren konnte die Familie durch die verschiedenen Umbaumaßnahmen die Bewegungsmöglichkeiten und somit das Tierwohl ihrer Kühe deutlich verbessern. Auch der Arbeitsaufwand im Stall und beim Melken hat sich reduziert. Der Investitionsaufwand verteilte sich auf fünf Jahre, wodurch auch das finanzielle Risiko geringer war als bei einem kompletten Neubau. Außerdem können Schlaffers die bestehende Rohrmelkanlage weiter nutzen. So sparten sie sich den Einbau eines teuren Melkstandes.
Für die Familie war somit der Umbau zu einem Auslaufstall die beste Lösung, um den Betrieb zukunftsfit zu machen. „Man kann mit wenig auch viel erreichen - besonders, wenn viel Eigenleistung dabei ist. Für unsere Lage im steilen Gelände passt das Konzept sehr gut. Wir haben sogar die Möglichkeit, den Auslauf zu erweitern“, erklärt Reinhard Schlaffer. Zurzeit ist das nicht geplant. Für die Zukunft bleibt der Betrieb aber dadurch anpassungsfähig und kann sich jederzeit weiterentwickeln.
Über das EIP-Projekt Berg-Milchvieh
Im von der EU geförderte Projekt „Berg-Milchvieh“ wurden interessante Baulösungen für Laufställe und Alternativen zur klassischen Laufstallhaltung speziell für kleine Bergbetriebe entwickelt, umfassend evaluiert und dokumentiert. Darüber hinaus wurden alternative Betriebsentwicklungsstrategien zur Milchviehhaltung erarbeitet. 42 Projektbetriebe aus ganz Österreich nahmen am Projekt teil, welches von 2019 bis 2022 durchgeführt wurde. Weitere Infos unter www.bergmilchvieh.at