Als Jüdin auf der Flucht im Saalachtal
Familie Justmann muss ins Warschauer Ghetto übersiedeln, dann in ein Arbeitslager. „Es war nicht einfach zu überleben. Jeder Tag ohne Verluste war ein Geschenk Gottes“, schreibt Leokadia. Als sie ins Vernichtungslager Treblinka deportiert werden soll, fährt ihre Mutter Sofia an ihrer Stelle, um sie zu retten. Sofia wird dort kurz darauf ermordet. Als der nächste Transport bevorsteht, wagt eine kleine Gruppe die Flucht, darunter Jakob und seine Tochter. Mit Hilfe polnischer Bauern und gefälschter Papiere, schaffen sie es nach Tirol und erhalten Arbeit in einem Gasthaus und der Textilfabrik Reichenau.
Die Gruppe wird aber denunziert und von der Gestapo verhaftet, Jakob kurze Zeit später ermordet. Die Zeit im Gefängnis ist geprägt von Terror, es besteht ständig die Gefahr, nach Auschwitz deportiert zu werden. Als sie für den Küchendienst eingeteilt wird, gelingt Leokadia die Flucht. Von Helfern bekommt sie falsche Papiere, mit denen sie als „ausländische Arbeitskraft Krystyna Chruscik für den Einsatz im Bezirk Zell am See in Marsch gesetzt wird“.
Überleben im Pfarrhof
Nach der Befreiung arbeitet Leokadia in Innsbruck für ein Hilfskomitee, das sich um jüdische Überlebende kümmert. So lernt sie den polnischen Juden Jósef Wisnicki kennen. Das Paar heiratet 1946 und wandert in die USA aus, wo Leokadia sich Lorraine nennt. Mit Pfarrer Wintersteller bleibt sie in Kontakt. Gleich nach Kriegsende beginnt sie damit, ihre furchtbaren Erlebnisse in Polnisch aufzuschreiben. Dank eines Projekts der Universität Innsbruck und mit Unterstützung ihres Sohnes Jeffrey ist das einzigartige Dokument nun auch auf Deutsch unter dem Titel „Brechen wir aus!“ erhältlich.
Anfang Mai war Jeff erstmals zu Besuch in St. Martin. Es ist ihm ein Anliegen, das Vermächtnis seiner Mutter zu bewahren. Seine Frau und er konnten in dem ehemaligen Pfarrhof wohnen. Die Erzdiözese hat ihn 1956 verkauft. Seither ist der „Pfarrhofbauer“ eine Landwirtschaft mit Zimmervermietung. 80 Jahre nach Kriegsende, genau am 8. Mai, fand in der Pfarrkirche von St. Martin eine berührende Lesung aus dem Buch von Leokadia statt.