Bodenpraktiker auf Horizonterweiterung
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Bei Josef Braun gibt es viel zu sehen. Er bewirtschaftet mit seiner Frau Irene ca. 30 ha Acker, 15 ha Grünland und 6 ha Wald, hält in einem Tretmiststall eine Milchviehherde, in die die weibliche Aufzucht ebenso integriert ist wie einige Mastschweine. Nichts ist Standard – alles ist weitergedacht.
So bekommt man auch viel zu hören. Etwa, dass die Bauern und Bäuerinnen den Mut haben müssen, Landwirtschaft neu zu denken. Braun: „Wir müssen auch nicht die Welt ernähren, mit 12.000-Liter-Kühen und 8.000 kg Weizenerträgen. Sondern die Bevölkerung, die Menschen um uns herum – ohne dass dabei Boden, Wasser, Luft und die Artenvielfalt gefährdet oder zerstört werden. Das ist unsere Aufgabe!“
Alles ist vernetzt...
Sepp Braun war ein erfolgreicher, intensiv konventionell wirtschaftender Ackerbauer, bis die Tschernobylkatastrophe ein radikales Umdenken auslöste. Heute ist Sepp Braun ein sehr erfolgreicher Biobauer, der seine drei Betriebsstandbeine Tierhaltung (Milchvieh auf Weide und mit Käserei, neuerdings Legehennen und Direktvermarktung), Ackerbau (Getreide, Feldfutter, Futterkräuter, ...) und Energie (Agroforst, Holzvergaseranlage, Photovoltaik) in einer Art und Weise miteinander in Symbiose bringt, die ihresgleichen sucht.
Wer Sepp Braun zuhört, erlebt eine Lehrstunde vernetzten Denkens. Kein Betriebszweig, keine Maßnahme, keine Überlegung steht für sich allein, sondern wird auf die Auswirkungen und möglichen Synergieeffekte mit den anderen Ressourcen des Betriebes abgecheckt.
Das Credo: Welche Bedürfnisse haben meine Helfer – Bodenleben, Pflanzen, Tiere und Mitarbeiter – und wie kann ich diesen gerecht werden?
Nie müde werden
Der Nachteil, nach einer solchen Einstellung zu leben und wirtschaften, ist: Es gibt nie ein Ende. Die Medaille umgedreht, heißt das aber: (Bio-)Bauer zu sein kann ein unerschöpfliches Feld von Experimentieren, Forschen und schöpferischer Tätigkeit eröffnen, welches den Raum für Sinn und Lebensfreude darstellt. Wer den Betrieb Braun seit Jahren kennt, weiß: Zwei Jahre ohne neue Idee gibt es nicht.
Spezialität Kräuterfutter
Vorbild für ein Wiederkäuer-Vollwertfutter ist für die Brauns die Bergwiese. Dort stehen Gräser, aber auch und vor allem blühende Kräuter, die alle für sich allein eine eigene diätetische Wirkung haben.
Das Ackerfutter setzt sich folgerichtig nicht aus Ackerrotklee und Raygräsern zusammen, sondern ist eine bunte Mischung, in der neben verschiedenen Leguminosen auch Wiesensalbei, Wilde Möhre, Wegwarte, Spitzwegerich, Labkräuter, Malve und andere vertreten sind. Vollwertkost für höchste Milchqualität. Braun beziffert den Omega-3-Fettsäuregehalt der Milch mit 2,12 %. Die Milchleistung liegt bei ca. 6.500 kg Herdendurchschnitt, die Kühe erhalten kein Kraftfutter.
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Agroforst
Seit einigen Jahren werden die Flächen des Braunschen Anwesens von Agroforststreifen durchzogen. Die Erkenntnis, dass Waldgartensysteme (praktiziert z. B. in Uganda) höhere Erträge liefern als moderne Monokulturen, führte zum Experiment, mit Pappeln, Weiden und Erlen einen bayrischen Ackerbaubetrieb zu beleben. Inzwischen dienen die Laubgehölze Hühnern und Schweinen als Auslauf, Betätigungs-, Schutz- und Futterfläche und liefern neben anderen ökologischen Funktionen ca. 20 Tonnen Trockenmasse Holzertrag pro Hektar, der in der Holzvergaseranlage zu Energie und Holzkohle transformiert wird. Die Kohle findet in der Kompostierung der Wirtschaftsdünger Verwendung.
Potenziale
Letztlich war jeder der Exkursionsteilnehmer beeindruckt. Nicht nur von den Brauns und deren persönlicher Leistung, sondern vor allem auch von der Erkenntnis, welch enormes Potenzial ein (kleiner) Biobetrieb zu entwickeln imstande ist. Welche ökologische und ökonomische Leistung er in der Region, in seinem Umfeld zu leisten vermag – fernab jeglicher Weltmarkt- und Wettbewerbsrhetorik. Strukturwandel einmal ganz anders. Strukturwandel, wie wir (Landwirtschaft und Gesellschaft) ihn schnellstens in die Gänge bringen sollten.